- 6 —
Lage ergibt sich denn, daß die beiden Verzeichnisse von Kriegs-
zielen des Zehnverbandes praktisch zurzeit ganz belanglos sind.
Und doch wäre es verfehlt, an ihrem Inhalte stillschweigend vor-
überzugehen, mögen auch die hierüber anzustellenden Betrach-
tungen vorläufig einen rein subjektiven oder akademischen Cha-
rakter haben. Es ist niemals müßig, über Dinge nachzudenken,
die in der Gegenwart wirken und denen eine Rolle in der Zukunft
zufallen muß. Solche Wirksamkeit ist den kundgegebenen Kriegs-
zielen des Zehnverbandes ohne Zweifel eigen und wären sie auch
zurzeit nichts weiter als Bänderschmuck an den feindlichen Fahnen.
In diesem Geist wollen wir die Verzeichnisse prüfen, Punkt
für Punkt, zueest die 3 allgemeinen, dann die 5 besonderen, dann
alle 8 zusammen.
A. Die allgemeinen Kriegsziele des Zehnverbandes:
1. Der Wiederaufbau Europas auf der Grundlage der Natio-
nalitäten.
Ob man diese These überhaupt als Ziel eines Krieges an-
sehen kann? Eher erscheint sie als Richtpunkt für die Politik
von Jahrhunderten. Indes ist richtig, es drängt sich ja in solchem
Krieg und somit auch in den ihm folgenden Frieden die Politik
von Jahrhunderten zusammen. Der Friedensschluß dieses Krieges
wird ebenso, nur hoffentlich in andrem Geiste in fernste Zeiten
wirken, wie seinerzeit der westfälische Friede und leider auch der
Wiener Kongreß bis in unsere Tage fortgewirkt haben. Ein Wie-
deraufbau wird es werden. Denn wenn auch nicht ganz Europa
eingestürzt ist, so sind es doch einige Staaten, und zudem hat die
militärische Macht Verschiebungen bewirkt, von denen die mei-
sten und gerade die größten Staaten Europas hart berührt wor-
den sind. Also ein Wiederaufbau muß kommen und wie der
Friede als ein Rechtsverhältnis eine Grundlage für das fernere
politische Leben bilden wird, so müssen auch ihm leitende Ge-
danken zugrunde liegen. Es wäre ganz verfehlt, den Gang der
Verhandlungen grundsatzlos nur diplomatischem Feilschen zu über-
lassen. Grundsätze müssen sein, wenn man zu Rechtssätzen ge-