Full text: Das Friedensangebot der Mittelmächte.

— 69 — 
fällt mit der Art, wie der Nationalitätengedanke verstanden wird. 
Sklaven des Nationalitätsgedankens, die es vielleicht ad hoc ge- 
worden sind, werden sich einreden, Nationalitäten zu befreien, 
wenn sie diese Monarchie in ihre Bestandteile auflösen. Ganz ab- 
gesehen davon, daß sie damit an der Existenzfrage dieser Macht 
anrennen, würden sie dem europäischen Interesse hiedurch schlecht 
dienen; denn die Gemeinschaft, in der hier Nationen zum Staat 
verbunden leben, ist die beste und bei allen Schwierigkeiten einzig- 
artige Schule nationaler Duldsamkeit, eine Schule, wie sie außer 
in Oesterreich-Ungarn in der ganzen Welt nur noch in der Schweiz 
zu finden ist. Mit Recht wurde einmal gesagt, die Schweiz und 
Oesterreich-Ungarn erleben in ihren Nationalitätenstaaten die Zu- 
kunft Europas, vielleicht sogar der ganzen Welt voraus. 
Aber es besteht eine, durch den Verlauf des ganzen Krieges 
sich immer mehr bestärkende Vermutung, daß im Sinne der Ziffer 1 
der allgemeinen Ziele des Zehnverbandes der Appell an den Natio- 
nalitätengedanken nur begriffen werden will als eine Folie, unter 
der die Aufteilung Oesterreichs-Ungarns und der Türkei und die 
Zerkleinerung Deutschlands und Bulgariens auf den grünen Tisch 
der Verhandlungen aufgelegt werden sollen. 
2. Herstellung des Rechtes aller Völker, der kleinen und der 
großen. 
Die Formel ist offenbar eine Umschreibung für Völkerrecht 
und der Gedanke der Herstellung dieses Rechtes ist ohne Zweifel 
groß und zeitgemäß. Die schweren Verletzungen, welche das 
Völkerrecht in diesem Kriege erfuhr, bedürfen allerdings einer 
Sühne und Heilung. Ob die Friedensverhandlungen von solchem 
Geiste getragen sein werden, wie es unbedingte Voraussetzung für 
ein fruchtbares Beginnen gerade in diesem schwersten und für 
die weitere Zukunft wichtigsten Teile der Aufgabe ist, muß bisher 
leider bezweifelt werden. Wir kennen zur Genüge die Verzeich- 
nisse von Vorwürfen, welche in dieser Hinsicht die Gegner ein- 
ander vorhalten und über die sie im Kriege selbst und mit den 
Waffen niemals ins Reine kommen werden.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.