§ 35a. Reichsverfassungsurkunde. II. Reichsgesetzgebung. 95
Braunschweig, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Koburg-
Gotha, Anhalt, Schwarzburg-Rudolstadt, Schwarzburg-Sondershausen,
Waldeck, Reuß älterer Linie, Reuß jüngerer Linie, Schaumburg=
Lippe, Lippe, Lübeck, Bremen und Hamburg. 33)
II. Reichsgesetgebung.
Art. 2.
Innerhalb dieses Bundesgebietes übt 10) das Reich das Recht
der Gesetzgebung nach Maßgabe des Inhalts dieser Verfassung und
mit der Wirkung aus, daß die Reichsgesetze den Landesgesetzen vor-
Staaten, resp. aus den Gebieten derselben, deren äußere Grenzen d. h. deren
Grenzen nach dem Auslande demnach mit den Grenzen des Bundesgebietes zu-
sammenfallen. Das innerhalb dieser Grenzen liegende Gebiet aller Bundesstaaten
und resp. jetzt auch der sog. Reichslande (Helgoland und Lauenburg gehören zum
Königreich Preußen) führt wohl den Namen: „Deutsches Reich“ nach den Ein-
gangsworten der Reichs-Verf.; ist aber kein „Reich" in dem Sinne, welcher
gleichbedeutend mit „Staat“ wäre. Durch den Namen „Deutsches Reich“ wird
also der rechtliche Charakter des deutschen Reiches nicht ausgedrückt, sondern durch
die das Wesen dieses „Reiches“ als eines Bundes von Staaten wiedergebende
Bezeichnung „Bundesgebiet“ des Abschn. I der Reichs-Verf. Vgl. hiezu
besonders Seydel, Comm, zu Art. 1 S. 28 ff., sowie das in vorstehender Anm. 4
Erörterte. Sehr treffend sagt hiezu Seydel S. 28: „Es will das Wort Bundes-
gebiet nichts Anderes bezeichnen, als die räumliche Begrenzung, innerhalb welcher
die verbündeten Staaten die Souveränitätsrechte, hinsichtlich deren sie den
Bund geschlossen haben, gemeinsam ausüben.“ „Insofern sagt aller-
dings Art. 33 (d. R.-Verf.) ganz richtig: Deutschland bildet ein Zoll= und
Handelsgebiet, umgeben von gemeinschaftlicher Zollgrenze.“ — Andrerseits
ist durch die Fassung des Art. 1 auch die Existenz der in demselben genannten
25 Bundesstaaten als „Staaten“, sowie das Gebiet derselben in seinem ganzen
Umfange durch die Reichs-Verf. garantiert und ist insbesondere eine Mediati-
sierung des einen oder des anderen dieser Staaten vollständig ausgeschlossen; diese
25 Staaten sind vielmehr nach dem faktischen Bestande vom 1. Jannar 1871
mit ihrem ganzen Gebiete dem Schutze des Reiches im Sinne der Einleitung
der Verfassung anvertraut bezw. haben dieselben ein Recht darauf, diesen Schutz
zu verlangen. Daher ist aber auch jede Abänderung dieses Gebietes, also auch
die Regulierung der Landesgrenze gegen einen ausländischen Staat der Genehmigung
des Reiches unterworfen. Vergl. Staatsvertr. zwischen Baden und Schweiz über
Grenzregulierung v. 24. Juni 1879 (Reichs-Ges.-Bl. 307. Web. 8, 59).
"a)Zum Reichs-(Bundes-) Gebiet gehört auch Elsaß-Lothringen: die sog.
Reichslande. Dieselben sind nicht Bundesstaat im Sinne des Art. 1, sondern
nur „Reichsland“. Hierüber, sowie über die deutschen Schutzgebiete und Helgo-
land s. oben im Text S. 78. In Bezug auf das Civilrecht bestimmt ferner der Art. 5
d. Einführungsgesetzes zum deutschen bürgerlichen Gesetzbuch: Als Bundesstaat
im Sinne des bürgerlichen Gesetzbuches und dieses Gesetzes gilt auch das Reichs-
land Elsaß-Lothringen.“ § 2 d. Ges. v. 25. Juni 1873, betr. die Einführung d.
Verfassung des deutschen Reiches in Elsaß-Lothringen (Web. 10, 45), lautet:
Dem in Art. 1 der Verfassung bezeichneten Bundesgebiet tritt das Gebiet des
Reichslandes Elsaß-Lothringen hinzu.
10) Uebt das Recht der Gesetzgebung aus: Dieser Wortlaut beweist, daß
das zu den Hoheitsrechten gehörige Gesetzgebungsrecht nicht selbst dem Reiche
übertragen ist, sondern nur seine Ausübung. Wir verweisen hier auf das in
§ 32 (Verhältnis des Königreichs Bayern zum Reiche) näher Erörterte, desgl.
auf Seydel, Comm. S. 35.