§ 35a. Reichsverfassungsurkunde. II. Reichsgesetzgebung. 97
betriebe 17), zu öffentlichen Aemtern 18), zur Erwerbung von Grund-
stücken 7) 19), zur Erlangung des Staatsbürgerrechtes und zum Ge-
nusse aller sonstigen bürgerlichen Rechte 7) unter denselben Voraus-
setzungen wie der Einheimische zuzulassen, 20) auch in Betreff der
Rechtsverfolgung und des Rechtsschutzes 27) demselben gleich zu be-
handeln ist.22)
Kein Deutscher darf in der Ausübung dieser Befugnis durch
die Obrigkeit seiner Heimat, oder durch die Obrigkeit eines anderen
Bundesstaates beschränkt werden.
Diejenigen Bestimmungen, welche die Armenversorgung 23) und
die Aufnahme in den lokalen Gemeindverband 4) betreffen, werden
durch den im ersten Absatz ausgesprochenen Grundsatz nicht berührt.
gesetze nicht mehr befugt (auf Grund des ihnen bisher zugestandenen Rechtes),
auch noch weiterhin den Angehörigen des Deutschen Reiches die Erwerbung der
Heimat oder des Bürgerrechtes, den Aufenthalt, den Gewerbebetrieb, die Erwerbung
von Eigentum 2c. mehr zu erschweren als den Angehörigen des eigenen Staates.
So z. B. erscheint es als unzulässig, von einem nichtbayrischen Deutschen eine
höhere Heimats= oder Bürgerrechtsgebühr zu erheben, als von einem Bayern.
16) Hier ist auf § 9 d. Ges. vom 1. Juni 1870 über Erwerb und Verlust
der Staatsangehörigkeit zu verweisen bezüglich der Folgen der Anstellung im un-
mittelbaren oder mittelbaren Staatsdienst oder in dem Kirchen-, Schul= oder
Communal-Dienst in Bezug auf Erwerb der Staatsangehörigkeit; s. unten § 45 a
Anm. 29—33 zu § 9 dieses Ges.
19) efr. die diesbezüglichen Regelungen durch das bürgerliche Gesetzbuch in
§ 873 und 98 925—927 mit 313 desselben.
20) Vgl. hiczu § 2 Abs. 1 Z. 4, § 6 und 7 des in Anm. 18 gen. Ges.
vom 1. Juni 1870. (S. unten § 45 a Anm. 7 und 19—22 a.)
:!) S. hiezu Art. 4 Z. 13 d. Reichs-Verf. und Seydel, Comm. S. 50 f.
*„) In Riedel's Comm. S. 85 f. sind die sog. Rechte und Pflichten des
deutschen Indigenates (12 verschiedene Rechte und dreierlei Pflichten) aufgeführt,
auf welche Zusammenstellung wir hier einfach verweisen; s. oben § 4: Die Reichs-
angehörigen. « »···
25) Diese Bestimmung hat Bedeutung für diejenigen Staaten, in welchen
das Reichsgesetz vom 6. Juni 1870 über den Unterstützungswohnsitz nicht einge—
führt ist, also auch für Bayern, wo die Armenversorgung selbständig durch fol—
gende bayerische Gesetze geregelt ist: Gesetz vom 29. April 1869 über die öffentl.
Armen= und Krankenpflege und die Novellen hiezu vom: 15. April 1875; 3. Fe-
bruar 1888 und 17. Juni 1896 (s. 88 153—171).
es) Die Bestimmungen der beiden bayerischen Gemeindeordnungen vom
29. April 1869 sind daher durch die Reichs-Verf. unberührt, soweit sie nicht mit
Abs. 1 des Art. 3 derselben in Widerspruch stehen. Giltig sind demnach die Be-
stimmungen des Art. 11 der rechtsrhein. Gemeindeordnung, nach welcher „be-
fähigt zur Erwerbung des Bürgerrechtes nach erreichter Volljährigkeit selbständige
Männer sind, welche sich im Besitze des bayerischen Indigenates befinden 2c."“
und des Art. 14 1. c., nach welcher „die nach Art. 12 und 13 l. c. zulässige
Verleihung des Bürgerrechtes an Nicht bayern (also auch an nicht bayerische
Deutsche) erst wirksam wird, wenn diese die bayerische Staatsangehörigkeit
erlangt haben“. »
Dagegen darf mit Rücksicht auf Abs. 1 des Art. 3 der Reichs-Verf. von
nichtbayr. Deutschen keine höhere Heimats- oder Bürgerrechtsgebühr erhoben
werden als von Bayern; vgl. Anm. 17.
Pohl, Handbuch. I. 7