100 § 35a. Reichsverfassungsurkunde. II. Reichsgesetzgebung.
9) der Flößerei= und Schiffahrtsbetrieb auf den mehreren
Staaten gemeinsamen Wasserstraßen und der Zustand der
letzteren, sowie die Fluß= und sonstigen Wasserzölle; des-
gleichen die Seeschiffahrtszeichen (Leuchtfeuer, Tonnen, Baken
und sonstige Tagesmarken);
10) das Post= und Telegraphenwesen, jedoch in Bayern und
Württemberg nur nach Maßgabe der Bestimmungen im
Artikel 52;
11) Bestimmungen über die wechselseitige Vollstreckung von
Erkenntnissen in Civilsachen und Erledigung von Requisitionen
überhaupt;
12) sowie über die Beglaubigung von öffentlichen Urkunden;
13) die gemeinsame Gesetzgebung über das gesamte bürgerliche
Recht, das Strafrecht und das gerichtliche Verfahren;
14) das Militärwesen des Reichs und die Kriegsmarine; 31)
15) Maßregeln der Medizinal= und Veterinär-Polizei;
16) die Bestimmungen über die Presse und das Vereinswesen.
Art. 5.
Die Reichsgesetzgebung wird ausgeübt durch den Bundesrat 32)
und den Reichstag.33) Die Uebereinstimmung der Mehrheitsbeschlüsse
beider Versammlungen ist zu einem Reichsgesetze erforderlich und aus-
reichend. 34)
Bei Gesetzesvorschlägen über das Militärwesen, die Kriegs-
marine und die im Art. 35 bezeichneten Abgaben gibt, wenn im
Bundesrate eine Meinungsverschiedenheit stattfindet, die Stimme des
Präsidiums 35) den Ausschlag, wenn sie sich für die Aufrechthaltung
der bestehenden Einrichtungen ausspricht.
Zu Z. 14: Bezüglich der Kriegsflagge: Art. 55 d. Reichs-Verf.;
ferner K. Erl. v. 2. März 1886 über Führung der Kriegsflagge auf den Privat-
fahrzeugen der deutschen Fürsten Web. 17, 666 und § 2 der V.-O. v. 8. Nov.
1892 über die Führung der Reichsflagge Web. 21, 740.
Bezügl. der Reichsdienstflagge s. § 3 d. ebengen. V.-O. v. 8. Nov.
1892, desgl. über Postflagge § 4 l. c.
*2) Siehe hiezu oben § 9: der Bundesrat S. 16—19 u. Art. 7 bis 10
d. Reichs-Verf.
38) S. oben § 10—13: der Reichstag u. Art. 20—32 d. Reichs-Verf.
Vgl. auch Seydel, Comm. S. 82 ff.
*4) Bei Verfassungsänderungen kommt noch die Bestimmung des Art. 78
in Betracht; speziell können Bestimmungen über sog. Sonderrechte eines Einzel-
staates nur mit Zustimmung des beteiligten Bundesstaates abgeändert werden.
(Art. 78 Abs. II.) S. unten Anm. 100—102.
26) Dieser Wortlaut kann der irrigen Auffassung Raum geben, daß die
Stimme des Kaisers gemeint sein könnte. Allein der Kaiser hat keinen Platz im
Bundesrat, es ist vielmehr unter der „Stimme des Präsidiums“ die Stimme von
Preußen, mit dessen Krone das Bundespräsidium verbunden ist, verstanden. S.
auch Anm. 76 zu Art. 37.