Full text: Handbuch des Staats- und Verwaltungs-Rechts für das Königreich Bayern. Band I. Das Deutsche Reich und das Königreich Bayern. (1)

6 * 3. Das Verhältnis des Reichs zu den Einzelstaaten. 
ist dasselbe ein Staatenbund und zwar ein „konstitutioneller Staaten= 
bund“. Seydel hält — und nach unserer Meinung mit Recht — an 
dem Grundsatz fest, daß es ohne Souverenität keinen Staat giebt, so 
daß also die Unterordnung eines Staates unter eine andere höhere 
Staatsgewalt mit der Existenz des Staates unvereinbar ist. Wird 
daher das Reich als Staat aufgefaßt, so können die zum Reich ge- 
hörigen Staaten keine Staaten mehr sein. Sind aber die letzteren, 
wie durch die Reichsverfassung ausdrücklich anerkannt, Staaten: 
dann kann ihre Vereinigung zum Reiche nur ein Bund von Staaten, 
also das Reich ein Staatenbund sein 23). Nach den Eingangsworten 
zur Verfassung des Deutschen Reiches ist das letztere: ein ewiger 
Bund zum Schutze des Bundesgebietes und des innerhalb desselben 
giltigen Rechtes, sowie zur Pflege der Wohlfahrt des deutschen Volkes. 
Dieser Bund führt den Namen „Deutsches Reich“ und ist abgeschlossen 
von den in der Einleitung der Reichsverfassung angegebenen Fürsten 
und resp. Staaten. 
Die Mitglieder des Bundes „Deutsches Reich“ sind in Art. 1, 
desgl. in Art. 6 der Reichs-Verf. aufgeführt. — Das Deutsche Reich ist 
keine Monarchie. Nach Fürst Bismarcks Ausspruch im Reichstag ruht 
„die Souverenität des Reiches nicht beim Kaiser, sondern bei der Ge- 
samtheit der verbündeten Regierungen“ und „findet die Sonverenität 
einer jeden Regierung innerhalb des Bundesrates ihren unbestrittenen 
Ausdruck. 25) 
Die Landesherren der zum Deutschen Reiche gehörigen Einzel- 
staaten haben nach wie vor ihre persönliche Souverenität und 
alle mit derselben verbundenen staatlichen und völkerrechtlichen Ehren- 
rechte beibehalten. Auch die Einzelstaaten selbst üben diese Rechte 
der souveränen Staaten aus. Demgemäß erscheinen diese Einzelstaaten 
auch als souverän. 
83. 
Das Verhältnis des Reichs zu den Einzelstaaten 30). 
Das Verhältnis der Einzelstaaten zum Reiche erhält prinzipiell 
seine Gestaltung durch Art. 4 mit Art. 2 der Reichsverfassung in der 
Art, daß die in Art. 4 l. c. aufgeführten Gegenstände und Angelegen- 
heiten „der Beaufsichtigung Seitens des Reiches und der Gesetzgebung 
Seitens desselben unterliegen“. Andrerseits haben aber die Einzelstaaten 
als Reichs= oder Bundesglieder wieder gewisse Rechte gegenüber dem 
Reiche, sowie in und zu demselben und zwar: 
"8) Vxgl. Lab. 1, 80—92, und für unsere Ansicht: Seydel, bayr. Staats- 
recht, 2. Aufl. 1, 264. Mit Untersuchung von Controversen können wir uns 
selbstverständlich hier nicht befassen. Siehe weiter unten „Verhältnis des König- 
reichs Bayern zum Reiche“. 8 33—35. 
1) Sten. Ber. des Reichstags, I. Sitz.-Per. 1871, S. 299 und 388. 
20) efr. Lab. 1, 99 ff.
	        
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