Full text: Handbuch des Staats- und Verwaltungs-Rechts für das Königreich Bayern. Band I. Das Deutsche Reich und das Königreich Bayern. (1)

8 §* 3. Das Verhältnis des Reichs zu den Einzelstaaten. 
In der That handelt es sich um solche Rechte, deren Aus- 
übung von dem betr. Bundesstaate in dem Vertrage, durch welchen er 
dem Reiche beigetreten ist, nicht — wie die anderen dem Reiche über- 
gebenen — mit übertragen, sondern nach wie vor für sich behalten 
wurden, obwohl andere Bundes-Staaten diese Rechte, vielmehr ihre 
Ausübung, ganz oder teilweise gleichfalls dem Reiche überlassen haben. 
Die dem resp. vom Königreich Bayern nun in diesem Sinne 
vorbehaltenen sog. Reservatrechte sind unten in Abschnitt II: Ver- 
hältnis Bayerns zum deutschen Reich zur näheren Aufzählung gebracht. 
Diese Sonderrechte können nur mit Zustimmung des betreffenden 
Staates aufgehoben werden und ist dies z. B. für Bayern im 
Versailler Schlußprotokoll Ziff. IV in einem Falle, nämlich bezüglich 
der Regelung des Immobiliarversicherungswesens sogar noch besonders 
anerkannt; außerdem allgemein durch Art. 78 Abs. II der Reichs.-Verf. 
Dieses Erfordernis der Zustimmung des berechtigten Staates bezieht 
sich überhaupt darauf, daß „bestimmte Rechte einzelner Bundes- 
staaten in deren Verhältnis zur Gesamtheit festgestellt sind“ 
(Art. 78 Abs. II Reichs-Verfassung) und nun verändert oder beseitigt 
werden sollen, gleichviel ob diese speziell bestimmten Sonderrechte 
in der Reichsverfassung Aufnahme gefunden haben oder nicht.32) 
Sind sie allerdings in der R.--Verfassung selbst begründet, so ist zu 
ihrer Aufhebung oder Veränderung nicht blos die Zustimmung des 
berechtigten Staates 33) sondern auch die Erfüllung der durch Art. 78 
Abs. 1 1. c. noch für Verfassungsänderungen speziell vorgesehenen 
Voraussetzungen erforderlich. 
ad II: Die Rechte der Bundesstaaten als Einzelner 
bestehen in allen jenen Rechten, welche der Kompetenz des Reiches 
entzogen sind und daher den Staaten, welche Mitglieder des Reiches 
sind, als selbständigen Staaten nach wie vor zustehen. 
Hieher gehört vor allen Dingen das Souverenitätsrecht 
der Einzelstaaten mit den Hoheitsrechten seiner Fürsten, das Selbst- 
gesetzgebungsrecht der einzelnen Bundesstaaten bezüglich aller nicht zur 
Kompetenz der Reichsgesetzgebung gehörigen Angelegenheiten, sowie 
alle fiskalischen Rechte derselben nach § 2, 3, 6 2c. des Reichsgesetzes 
vom 25. Mai 187334), endlich die eigenen Verwaltungs-Befug- 
nisse der Bundesstaaten bezüglich der zur Zuständigkeit der Reichs- 
gesetz gebung nach Art. 4 der Reichs-Verf. gehörigen Gegenstände. 
Die Existenz der einzelnen Bundesstaaten ist durch die Reichs- 
verfassung garantiert. Denn nach dem Wortlaute der Einleitung 
schließen die beteiligten Fürsten einen ewigen Bund zum Schutze nicht 
blos des Bundesgebietes, sondern auch des innerhalb desselben giltigen 
Rechtes: also auch des Verfassungsrechtes der Einzelstaaten. 
  
  
*2) Lab. 1, 106 und unten § 35a Anm. 101 zu Art. 78 der Reichs.-V. 
23) Ueber die Form dieser Zustimmung cfr. Lab. 1, 108 f. 
3 Reichsges.-Bl. 1873 S. 113. Web. 9, 766 f.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.