Full text: Handbuch des Staats- und Verwaltungs-Rechts für das Königreich Bayern. Band I. Das Deutsche Reich und das Königreich Bayern. (1)

§ 45. Wirkungen d. Staatsangehörigkeit. Staatsbürgerrecht. Staatsbürgereid. 173 
eines jeden Bundesstaates in jedem anderen Bundesstaate als Inlän- 
der zu behandeln und demgemäß zum festen Wohnsitz, zum Gewerbe- 
betriebe, zu öffentlichen Aemtern, zur Erwerbung von Grundstücken, 
zur Erlangung des Staatsbürgerrechts und zum Genuß aller sonstigen 
bürgerlichen Rechte unter denselben Voraussetzungen wie der Ein- 
heimische zuzulassen, auch in Betreff der Rechtsverfolgung und des 
Rechtsschutzes demselben gleich zu behandeln ist. 
In diesem Art. 3 I. c. ist also zugleich auch eine weitgehende 
Aufzählung der aus der Staatsangehörigkeit fließenden Berechtigungen 
enthalten, welche von demjenigen ausgeübt werden können, der im 
Besitze dieser Staatsangehörigkeit in einem deutschen Bundesstaate ist.) 
Doch sei hiezu bemerkt, daß diese Angehörigkeit zu einem 
Bundesstaate nicht in eine besondere Reichsangehörigkeit als solche, 
in ein Reichsbürgerrecht aufgegangen, bezw. von letzterem absorbiert 
worden ist. Die Reichsangehörigkeit hat vielmehr nur die Bedeu- 
tung und die Wirkungen, welche im Art. 3 Abs. 1 der Reichs-Verf. 
angegeben sind. Es ist daher auch der Angehörige eines deutschen 
Bundesstaates — obwohl er kraft und infolge dieser Staatsange- 
hörigkeit nach Art. 3 Abs. 1 I. c. Reichsangehöriger ist — doch 
nicht zugleich Angehöriger aller übrigen Bundesstaaten, sondern nur 
Angehöriger desjenigen Bundesstaates, in welchem er die 
Staatsangehörigkeit auf Grund eines im Gesetze vom 1. Juni 
1870 (über Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit) genannten 
Titels erworben hat oder besitzt (ekr. oben § 4: Die Reichsange- 
hörigen, auch § 5). 
Es kann daher auch derjenige, welcher das Indigenat in dem 
einen Bundesstaate hat, nicht damit ohne weiteres befugt sein, in 
einem anderen Bundesstaate diejenigen Rechte auszuüben, welche den 
Besitz des Indigenates speziell in diesem letzteren voraussetzen, z. B. 
das Recht, zum Landtag zu wählen Reg. 15, 331. 
Als Pflichten der Staatsangehörigkeit ergeben sich vor allem: 
a. die Pflicht zum Gehorsam und 
b. die Pflicht zur Treue. 
Die Verpflichtung zum Gehorsam und zur Treue gegen die 
bayer. Staatsgewalt schließt auch vie gegen die Reichsgewalt in sich, 
ebenso wie mit der bayer. Staatsangehörigkeit die Reichsangehörigkeit 
verbunden ist: und wie der bayer. Staatsangehörige den Gesetzen und 
gesetzmäßigen Anordnungen des Königreichs Bayern zu gehorchen und 
Alles zu unterlassen hat, was auf eine Schädigung des bayer. Staates 
abzielen könnte (Treue), so ist er in gleicher Weise gegen das Reich 
und die in Bayern giltigen Reichsgesetze zu handeln verbunden. 
In der Pflicht zum Gehorsam gegen den Staat liegt auch die 
Verpflichtung zum Gehorsam gegen die Obrigkeit, d. h. gegen deren 
gesetzmäßige Anordnungen. Widerstand gegen die Obrigkeit ist daher 
Widerstand gegen die Staatsgewalt. (§8 110—122 Reichs-Str.-Ges.-B.) 
*) Ueber diese Rechte s. besonders Riedel, Comm. zur Reichs-Verf. S. 85—87.
	        
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