Full text: Handbuch des Staats- und Verwaltungs-Rechts für das Königreich Bayern. Band I. Das Deutsche Reich und das Königreich Bayern. (1)

845a. Ges. üb. d. Erwerbung u. den Verlust d. Bundes= u. Staatsangehörigkeit. 207 
neten Gründen darfss) in Friedenszeiten die Entlassung nicht ver- 
weigert 65) werden. Für die Zeit eines Krieges oder einer Kriegs- 
gefahr bleibt dem Bundespräsidium der Erlaß besonderer Anordnung 
vorbehalten. 6.) 
sanktioniert ausdrücklich den Grundsatz der Auswanderungsfreiheit,“ ferner: „Die 
Partikularvorschriften, nach welchen die Entlassung aus dem Staatsverbande mit 
Rücksicht auf bestehende Privat= und andere Verpflichtungen verweigert oder ver- 
zögert werden darf, kommen durch diesen Paragraphen (17) in Wegfall, während 
selöstverständlich die Anwendung prozeßrechtlicher Vorschriften nicht ausgeschlossen 
werden soll.“ 
Daher findet auch (ogl. Ziff. 7 lit. c und d der Vollz.-Vorschr. vom 
9. Mai 1871 Web. 9, 9) keine Berücksichtigung der Interessen von Privatgläu-- 
bigern des Gesuchstellers statt und ist daher jede öffentliche Bekanntmachung eines 
Auswanderungsvorhabens zu unterlassen. Auch kann die Erteilung der Ent- 
lassungsurkunde ferner nicht mehr von dem Nachweise, daß der Gesuchsteller in 
den Unterthanenverband eines anderen Staates ausgenommen worden sei, ab- 
hängig gemacht werden. Auch die Militärpflicht hindert nur so weit, als 8 15 
Abs. II I. c. bestimmt. 
Das Auswanderungsgesuch wird im Hinblick auf Ziff. 7 I1. c. der obencit. 
Vollz.-Vorschr. wohl an das kgl. Rentamt (desgl. event. auch im Falle Bekannt- 
seins einer strafrechtl. Untersuchung an die kgl. Staatsanwaltschaft) hingegeben, 
doch können Stener= oder sonstige Rückstände nicht hinderlich sein. Unter den 
„prozeßrechtl. Vorschriften“" im Sinne der Motive (s. oben) sind dagegen sowohl 
straf= als civil-prozeßrechtliche zu verstehen; daher kann eine Entlassungsurkunde 
wohl z. B. wegen rückständiger Steuern im Wege der Zwangsvollstreckung zur 
Sicherung der letzteren mit Beschlag belegt werden. Vgl. auch § 798 und 812 
der Civ.-Proz.-Ordn. 
Da jeder ein Recht auf Auswanderung hat, so sind auch bestrittene 
Rechtsansprüche in bezug auf die Entlassung aus dem Staatsverbande (nach 
Art. 8 B.#1 des Gesetzes über den Verw.-Ger.-Hof) Verwaltungsrechts sachen 
und hat über solche der Verw.-Ger.-Hof in letzter Instanz zu entscheiden (vgl. 
Art. 9 Abs. 1 des obengen. Ges.). S. Entsch. des Verw.-Ger.-Hofes oben in 
Anm. 50, ferner § 45 S. 180 und 181. 
Der Schlußsatz in § 14 Abs. 1 Tit. IV der bayer. Verf.-Urk. (wenn sie 
den gesetzlichen Verbindlichkeiten 2c.) ist im Hinblick auf § 17 des Staatsangehörig- 
keitsges. bedeutungslos geworden. 
55) Siehe noch Entsch. bei Reg. 8, 277: Unzulässigkeit der Verweigerung 
der Aushändigung der Entlassungsurkunde wegen Steuerrückstände; Beschlagnahme 
der Urkunde auf Veranlassung der Steuerbehörde. 
6% Hiezu sagen die Motive: „Dieser Grundsatz (der Auswanderungsfreiheit) 
kann indes nur in Friedenszeiten unbedingt gelten. Für die Zeit eines Krieges 
oder einer Kriegsgefahr erheischt die Sicherheit des Bundes die Zulässigkeit von 
Einschränkungen der Auswanderungsbefugnisse. Es liegt in der Natur der Sache, 
daß die diesfälligen, für das ganze Bundesgebiet gleichmäßig verbindlichen An- 
ordnungen nur vom Bundespräsidium ausgehen können.“" 
Es wurde demgemäß auch mit Bundesges. vom 21. Juli 1870 (Web. 8, 
585 Anm. 10) mit Rücksicht auf den Ausbruch des französischen Krieges bestimmt: 
„Die §§ 17 und 20 des Gesetzes über Erwerb und Verlust der Staatsangehörig- 
keit vom 1. Juni 1870 treten am Tage der Verkündigung des gegenwärtigen 
Gesetzes in Kraft“, während nach § 27 des Staatsangehörigkeitsges. dieses Gesetz 
selbst im Uebrigen am 1. Januar 1871 in Kraft trat. Es kann dies unter Um- 
ständen von rechtlicher Bedeutung sein auch bezügl. derjenigen, welche seinerzeit 
unter Verletzung des § 15 Abs. II I. c. auswanderten, ohne ihrer Militärpflicht 
Genüge geleistet zu haben, und welche jetzt wieder zurückwandern.
	        
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