Full text: Handbuch des Staats- und Verwaltungs-Rechts für das Königreich Bayern. Band I. Das Deutsche Reich und das Königreich Bayern. (1)

§ 50. Allgemeines. Die beiden Kammern. 243 
Nach § 19 und 20 Tit. VII der Verf.-Urk. hat der Landtag 
(d. h. die beiden Kammern desselben vereint) das Recht, in Beziehung 
auf alle zu seinem Wirkungskreise gehörigen Gegenstände dem Könige 
seine (gemeinsamen) Wünsche und Anträge in der geeigneten Form 
vorzubringen und hat in jeder Kammer auch jeder einzelne Abgeordnete 
die Befugnis, in dieser Beziehung seine Wünsche und Anträge in 
seiner Kammer bekannt zu geben. 
Die von einer Kammer über solche Anträge gefaßten Beschlüsse 
müssen der anderen Kammer mitgeteilt, und können erst nach deren 
erfolgter Beistimmung dem Könige vorgelegt werden. 
Nach § 30 l. c. sanktioniert der König allein die Gesetze und 
erläßt dieselben mit seiner Unterschrift unter Anführung der Ver- 
nehmung des Staatsrates und des erfolgten Beirates und der Zu- 
stimmung der Kammer der Reichsräte und der Kammer der Abge- 
ordneten. Nach Art.IV des Ministerverantwortlichkeitsgesetzes vom 4. Juni 
1848 ist außerdem auch noch die Gegenzeichnung der Minister nötig. 
Im Uebrigen siehe über den Wirkungskreis, sowie über den 
Geschäftsgang des Landtages, speziell dessen Einberufung, Konsti- 
tuierung, über Sitzungspolizei, Beratungen, Abstimmungen, Beschluß- 
fassungen, Beziehungen zur kgl. Staatsregierung 2c. Tit. VII auch VI 
der Verf.-Urk., ferner Gesetz vom 19. Januar 1872 über den Ge- 
schäftsgang des Landtages (Ges.-Bl. 1871/72 S. 173; Web. 9, 
275 ff.).) 
Spezielles: ad a. Kammer der Reichsräte. 
Diese ist nach Tit. VI § 2 der Verf.-Urk. (Web. 1, 588) zu- 
sammengesetzt aus: 
1) den volljährigen Prinzen de . 
2) den Sosthlrigen Por Greidess W0. Hauses, 
3) den beiden Erzbischöfen, 
4) den Häuptern der ehemals reichsständischen — fürstlichen 
und gräflichen — Familien, als erblichen Reichsräten, so- 
lange sie im Besitze ihrer vormaligen reichsständischen, im 
Königreiche gelegenen Herrschaften bleiben, 
5) einem vom Könige ernannten Bischofe und dem jedesmaligen 
Präsidenten des protestantischen General-(Ober-)Konsistoriums, 
6) aus denjenigen Personen, welche der König entweder wegen 
ausgezeichneter, dem Staate geleisteter Dienste oder wegen 
ihrer Geburt oder ihres Vermögens zu Mitgliedern dieser 
Kammer entweder erblich oder lebenslänglich besonders ernennt. 
*) Ueber die Behandlung von neuen Gesetzbüchern s. Gesetz vom 9. August 
1831, 1. Juli 1834, 12. Mai 1848, 4. Juni 1865, 18. Oktober 1871, 15. Juli 
1878, 19. Februar 1879, 12. Februar 1880 (Web. 2, 561, 739; 3, 679, 681; 
4, 462; 9, 121; 12, 399, 579; 14, 330) » 
**) Ueber die Behandlung von Petitionen, durch welche die Petenten eine 
materielle Verbesserung ihrer Lage anstreben, s. Min.-E. vom 19. Juni 1890 
(Min.-Bl. S. 245). 
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