354 § 74. II. Das Kapitalrentensteuer-Gesetz.
Nach Art. II des Gesetzes vom 21. April 1884 ist die Staats-
regierung auch ermächtigt, Unterstützungs-, Pensions-, Kranken-,
Sterbe= und Leichenkassen, welche einer behördlichen Aufsicht nicht
unterstellt sind, Befreiung von der Kapitalrentensteuer zu gewähren,
wenn die gemeinnützige Wirksamkeit dieser Kassen nachgewiesen ist und
denselben durch Entrichtung der Steuer die vollständige Erfüllung
ihres Zweckes erheblich erschwert würde. Siehe hiezu wie oben zu
Art. 12 Abs. I des Einkommensteuergesetzes: die Min.-Bek. vom
13. Mai 1884 Web. 16, 505. Die diesbezügl. Anträge sind für
Kapitalrenten= und Einkommensteuern ganz gleich zu behandeln ((.
oben § 73 S. 342 f.).
Die Anlage der Kapitalrentensteuer findet nach Art. 20 Abs. 2
des Gesetzes von zwei zu zwei Jahren statt. Bei derselben haben die
Gemeindebehörden in ähunlicher Weise mitzuwirken, wie bei der
Einkommensteuer.
Durch die Gemeindebehörde, — welche auch die Erklär-
ungsformularien bereit zu stellen und die Steuererklärungen entgegen
zu nehmen hat — ist Aufforderung zu erlassen, daß jede im Genusse
von Kapitalrenten von mindestens 40 Mark befindliche Person inner-
halb einer bestimmten Frist schriftlich oder mündlich Erklärung dahin
Lahuten hat, wie hoch sich der Jahresbetrag der Kapitalrenten
elaufe. 3)
Unmittelbar nach Ablauf dieser ersten Frist hat die Gemeinde-
behörde eine zweite öffentliche Bekanntmachung unter Hinweis auf
die Strafbestimmung der Art. 28 lit. a und 29 des Gesetzes an alle
Rückständigen mit der Aufforderung zu erlassen, spätestens innerhalb
zwei Wochen ihre Steuererklärungen abzugeben. Die erste Bekannt-
machung ist von der Gemeindebehörde nach Beil. II der Vollz.-Vorschr.
vom 29. Juli 1881, die zweite nach Beil. III (Web. 15, 380) zu
erlassen. Die erste Bekanntmachung erfolgt in den Jahren, in welchen
eine Neuanlage der Kapitalrenten= und der Einkommensteuer statt-
findet, thunlichst gleichzeitig mit der nach § 18 der Vollz.-Vorschr.
zum Einkommensteuergesetz zu erlassenden Bekanntmachung und unter
Festsetzung einer Frist, welche mit der für die Einkommensteuer-
erklärungen gegebenen gleich läuft.
Gesetzes, ferner Bek. vom 4. Oktober 1881 (Web. 15, 445) „die Steuerverhält-
nisse der Konsuln betr.“.
:) In einem mit F.-Min.-Bek. vom 23. März 1885 S. 115 f. bekannt
gegebenen Urteil des obersten Landesgerichtes vom 28. November 1884 ist aus-
gesprochen: „Ein Gewerbetreibender, welcher sich im Genusse einer Kapitalrente
von mindestens 40 Mark befindet, ist zur Abgabe einer Erklärung darüber, wie
hoch sich der Jahresbetrag der Kapitalrente beläuft, auch dann verpflichtet, wenn
das Kapital einen Teil der in seinem Gewerbe angelegten Betriebskapitalien
bildet. Die Entscheidungsgründe zu diesem Urteile sind aus der genannten
F.-Min.-Bek. (F.-Min.-Bl. 1885 S. 115) zu ersehen.