§ 90. Die Verfassungsurkunde des Königreichs Bayern. Tit. VII. 501
Antrag der andern Kammer mit, welcher, wenn diese demselben bei-
stimmt, in einer gemeinsamen Vorstellung dem Könige übergeben
wird.77)
§ 22. Der König wird wenigstens alle drei Jahre die Stände
zusammenberufen.75)
Der König eröffnet und schließt die Versammlung entweder in
eigener Person, oder durch einen besonders hiezu Bevollmächtigten.
Die Sitzungen einer solchen Versammlung dürfen in der Regel
nicht länger als zwei Monate dauern, und die Stände sind verbunden,
in ihren Sitzungen die von dem Könige an sie gebrachten Gegenstände
vor allen übrigen in Beratung zu nehmen.
§ 23. Dem Könige steht jederzeit das Recht zu, die Sitzungen
der Stände zu verlängern, sie zu vertagen, oder die ganze Versamm-
lung aufzulösen.79)
In dem letzten Falle muß wenigstens binnen drei Monaten eine
neue Wahl der Kammer der Abgeordneten vorgenommen werden.
§ 24. Die Staats-Minister können den Sitzungen der beiden
Kammern beiwohnen, wenn sie auch nicht Mitglieder derselben sind.30)
7“) Der § 21 l. c. behandelt die sog. „Verfassungsbeschwerde“, zu welcher
jeder Staatsangehörige und jede Gemeinde unter folgenden Voraussetzungen be-
rechtigt ist:
chtig Wenn ein in einem Verfassungs-Gesetze (nicht in einem einfachen
Gesetze) garantiertes Recht verletzt ist.
b. Wenn das angeblich verletzte Recht dem Beschwerdeführer selbst zusteht,
ein rein subjektives Recht für ihn ist.
c. Die Beschwerde muß sich auf die Verfügung einer Behörde, eines staat-
lichen Organes beziehen. ·
d. Diese behördliche Verfügung darf nur eine solche der wirklichen Ver-
waltung, nicht aber ein Urteil eines Gerichtes oder Verwaltungsgerichtes
sein: ein solch richterliches Urteil kann der König — abgesehen vom
Begnadigungsrecht — nicht ändern. —
Vergl. hiezu v. Seyd. 1, 386 ff.: „die Behandlung der Verfassungs-
beschwerden in den Kammern.“ S. auch unten Anm. 112.
78) Auf Grund der Bestimmung des Gesetzes vom 10. Juli 1865 (s. oben
Anm. 61) über die Abkürzung der Finanzperioden ist der Landtag nunmehr min-
destens alle zwei Jahre einzuberufen. .
Vergl. bezüglich außerordentlicher Einberufung des Landtags Lit. II § 11
und § 16 der Verf.-Urk.
Die Gesamtzeit der Tagung des Landtags wird Landtagssession, auch
Sitzungsperiode oder Landtagsversammlung genannt.
7) Diese Befugnis der Auflösung erstreckt sich selbstverständlich nur auf die
Abgeordnetenkammer. Eine Auflösung der Abgeordnetenkammer hat jedoch für die
Kammer der Reichsräte die Wirkung, daß, wenn diese Auflösung während der
Tagung der Reichsratskammer erfolgt, sie auch die Schließung der letzteren gemäß
Tit. VI § 16 der Verf.-Urk. mit zur Folge hat.
80) Ueber Stellung und Befugnisse der Minister als solcher in der Kammer
s. Näheres in Art. 10, 13 bis 16, 34 und 39 des Geschäftsgangsgesetzes, unten
Anm. 90 S. 505 und 508.