8 90. Die Verfassungsurkunde des Königreichs Bayern. Tit. VII. 505
Art. 9. Der Präsident ist berechtigt und verpflichtet, jedes Kammermitglied,
welches einer in diesem Gesetze oder in der Geschäftsordnung enthaltenen Bestimm—
ung entgegen handelt, sofort zur Ordnung zu verweisen und ihm im Weigerungs-
falle die fernere Wortführung zu untersagen. Dem Beteiligten steht jedoch das
Recht der Berufung an die Kodmner zu.
Art. 10. Die anwesenden Staatsminister, königlichen Kommissäre, sowie
alle Mitglieder der Kammer sind befugt, den Präsidenten auf Zuwiderhandlungen
gegen die Ordnung aufmerksam zu machen und auf Zurückweisung zur Ordnung
anzutragen.
Art. 11. Zur Aufbewahrung der Akten und Ordnung der Registratur des
Landtags haben die Kammern einen gemeinschaftlichen ständigen Archivar zu be-
nennen, welcher aus der Staatskasse besoldet wird.
Das erforderliche Kanzlei= und sonstige Dienstpersonal wird von den in
der Geschäftsordnung jeder Kammer zu bestimmenden Organen derselben aufge-
nommen und bis zur Aufarbeitung aller Geschäfte nach Bedürfnis verwendet.
Art. 12. Die Staatskasse bestreitet die sämtlichen Ausgaben des Land-
tags und leistet den Kammervorständen auf jedesmaliges Begehren die nötigen
* über deren Verwendung nach beendigter Versammlung Rechnung zu
ellen ist.
Abteilung III.
Sitzungen der Kammern, Beratungen, Abstimmung und Beschlußfassung, Bezieh-
ungen derselben zur Staatsregierung und untereinander.
A. Sitzungen der Kammern.
Art. 13. Die Sitzungen der beiden Kammern werden nach Maßgabe der
Geschäftsordnung von dem Präsidenten bestimmt, geleitet und geschlossen.
Dieselben sind öffentlich.
Ausnahmsweise findet die Oeffentlichkeit der Sitzungen nicht statt:
a. auf den Antrag des Direktoriums oder einer in der Geschäftsordnung
zu bestimmenden Zahl von Mitgliedern;
b. wenn ein Staatsminister oder königlicher Kommissär erklärt, daß er
der Kammer eine Eröffnung in vertraulicher Sitzung zu machen habe.
Ueber solche Eröffnungen der Regierung darf ohne deren Zustimmung
weder eine öffentliche Beratung, noch eine Bekanntmachung erfolgen.
Art. 14. Wenn die Staatsminister oder königl. Kommissäre das Wort
verlangen, um im Namen des Königs Vorlagen zu machen, so bleibt die Tages-
ordnung bis nach Beendigung des Vortrages hierüber unterbrochen.
Art. 15. Die königl. Staatsminister oder königl. Kommissäre müssen über
jeden Beratungsgegenstand auf ihr Verlangen zu jeder Zeit gehört werden, ohne
daß jedoch dadurch ein Redner in seinem bereits begonnenen Vortrage unter-
brochen werden darf. #
Art. 16. Die Staatsminister und kgl. Kommissäre find gleich den Kam-
mermitgliedern berechtigt, bei allen zur Verhandlung kommenden Gesetzentwürfen
Abänderungen oder Unterabänderungen vorzuschlagen. Z
Art. 17. Nur diejenigen Mitglieder der Ausschüsse oder Abteilungen,
welche Bericht erstatten oder ein Sondergutachten abgeben, dann die Staats-
minister und kgl. Kommissäre sind befugt, Vorträge abzulesen.
Art. 18. Anfragen (Interpellationen) einzelner Kammermitglieder an die
Staatsregierung sind dem Präsidenten kurz motiviert und schriftlich zu übergeben,
welcher solche sofort dem betreffenden Minister mitzuteilen hat.
Die Art. 19, 20 und 21 dieses Gesetzes haben durch § 26 des Landtags-
abschiedes vom 1. Juli 1886 folgende Fassung erhalten:
Art. 19. In der hierauf folgenden nächsten oder längstens in der zweiten
Sitzung wird die übergebene Interpellation (von dem Interpellanten) verlesen und
hierauf vor allem die Unterstützungsfrage gestellt.