§ 90. Die Verfassungsurkunde des Königreichs Bayern. Tit. X. 515
Real= und gemischten Rechtssachen aber unter den bürgerlichen Ge-
richten. 10)
Titel X.
Von der Gewähr der Verfassung.
§ 1. Bei dem Regierungs-Antritte schwört der König in
einer feierlichen Versammlung der Staats-Minister, der Mitglieder
des Staats-Rats, und einer Deputation der Stände, wenn sie zu
der Zeit versammelt sind folgenden Eid:
„Ich schwöre nach der Verfassung und den Gesetzen des
Reichs zu regieren, so wahr mir Gott helfe, und sein heiliges
Evangelium.“
Ueber diesen Akt wird eine Urkunde verfaßt, in das Reichs-
Archiv hinterlegt und beglaubigte Abschrift davon der Stände-Ver-
sammlung mitgeteilt.
8 2. Der Reichs-Verweser leistet in Beziehung auf die Er-
haltung der Verfassung den in Tit. II § 16 vorgeschriebenen Eid.
Sämtliche Prinzen des königlichen Hauses leisten nach erlangter
Volljährigkeit ebenfalls einen Eid auf die genaue Beobachtung der
Verfassung.
sich auf Strafsachen und wird durch Reichsgesetz geregelt.“ Ferner Versailler
Bündnisvertrag vom 23. November 1870 Ziff. III § 5 Abschn. I: „Bayern be-
hält zunächst seine Militärgesetzgebung 2c. bis zur verfassungsmäßigen Beschluß-
sassung über die der Bundesgesetzgebung anheimfallenden Materien 2c.“ (Web.
„676).
Da nun eine Reichsmilitärstrafprozeß ordnung bis jetzt noch nicht er-
lassen ist (sie ist jedoch schon in Vorbereitung), so gilt in Bayern noch die bayer.
Militärstrafgerichtsordnung vom 29. April 1869 mit ihren Novellen. (S. hiezu
oben Anm. 91 lit. b.) ·
In materieller Beziehung ist die Regelung des Militärstrafrechtes be—
reits vom Reiche erfolgt durch das Reichs-Militärstrafgesetzbuch vom 20. Juni
1872 (Web. 9, 417 ff.), welches laut Einführungsgesetz vom gleichen Tage mit
1. Oktober 1872 im ganzen Umfange des Bundesgebietes in Kraft getreten ist.
Siehe hiezu jedoch § 2 Abs. 2 des Einf.-Ges. zum Reichs-Mil.-Str.-Ges.-B.
(Web. 8, 75 Anm. 3). Vergl. auch oben S. 509 f. Anm. 91.
105) In bürgerlichen Rechtssachen gibt es keinen privilegierten Gerichts-
stand der Offiziere mehr. Schon das Gesetz vom 15. August 1828 (Web. 2,
415 ff.) über die Militärgerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen bestimmt
prinzipiell in § 1: „die Militärpersonen stehen in allen ihren bürgerlichen Rechts-
angelegenheiten, sie mögen zur streitigen oder nichtstreitigen Gerichtsbarkeit ge-
hören, unter den bürgerlichen Gerichten."
Allein dieses ebenerwähnte Gesetz enthält auch „Vorschriften, nach welchen für
Truppenteile, die nach der Mobilmachung ihre Garnison verlassen
haben oder sich dauernd im Auslande aufhalten, die Ausübung der streitigen oder
freiwilligen Gerichtsbarkeit einem inländischen Gerichte oder den Auditeuren ein-
für allemal übertragen ist.“ Und diese Bestimmungen des vorgenannten Ge-
setzes sind nach § 7 des Reichs-Einf.-Ges. zum Reichs-Ger.-Verf.-Ges., besonders
aber durch § 39 Abs. 3 des Reichsmilitärgesetzes vom 2. Mai 1874 (Web. 10,
288) aufrecht erhalten geblieben.
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