516 8 90. Die Verfassungsurkunde des Königreichs Bayern. Tit. X.
§ 3. Alle Staatsbürger 108) sind bei der Ansässigmachung und
bei der allgemeinen Landes-Huldigung, sowie alle Staatsdiener bei
ihrer Anstellung verbunden, folgenden Eid abzulegen: 109)
„Ich schwöre Treue dem Könige, Gehorsam dem Gesetze und
Beobachtung der Staats-Verfassung; so wahr mir Gott
helse, und sein heiliges Evangelium!“ uio)
§ 4. Die königlichen Staats-Minister und sämtliche Staats-
diener sind für die genaue Befolgung der Verfassung verantwortlich. 111)
§ 5. Die Stände haben das Recht, Beschwerden 112) über die
durch die königlichen Staats-Ministerien oder andere Staatsbehörden
geschehene Verletzung der Verfassung in einem gemeinsamen Antrag
an den König zu bringen, welcher denselben auf der Stelle abhelfen,
oder, wenn ein Zweifel dabei obwalten sollte, sie näher nach der
Natur des Gegenstandes durch den Staatsrat oder die oberste Justiz-
Stelle untersuchen, und darüber entscheiden lassen wird.113)
§ 6. 1141) Finden die Stände sich durch ihre Pflichten aufge-
10) „Staatsbürger“ ist hier — ebenso wie Tit. III § 4 und Tit. VII
§ 21 — gleich „Staatsangehöriger".
10% Ueber die Ableistung des Staatsbürgereides vergl. auch das Edikt
vom 6. Januar 1812 (Web. 1, 378 f.).
110) Ueber „Staatsbürgereid“, hier Ableistung 2c. s. die ausführlichen Er-
örterungen oben § 45 S. 174—177. Ferner Krais 1, 143 f. (4. Aufl. 1, 149 f.).
111) Ueber die Verantwortlichkeit speziell der Minister dem Landtage und
dem Lande gegenüber s. das Gesetz vom 4. Juni 1848 über die Minister-Ver-
antwortlichkeit oben Anm. 13 S. 466 f. Bezüglich dieser Verantwortlichkeit dem
Könige gegenüber vergl. die 9. Verfassungs-Beilage, besonders §8 9 ff. derselben.
112) Das Beschwerderecht des Landtages nach Tit. X § 5 unterscheidet sich
von der oben Tit. VII § 21 genannten Beschwerde wegen Verletzung konstitu-
tioneller Rechte besonders dadurch, daß der Landtag als solcher sich nur wegqen
Verfassungsverletzung in objektiver Beziehung beschweren kann, während die
letzterwähnte Beschwerde der Staatsangehörigen die Verletzung eines subjektiven
Rechtes des Beschwerdeführers voraussetzt. S. oben Anm. 76 und 77 S. 500 f.
113) Die Frage, wie es gehalten werden muß, wenn die Kammern mit
dieser Entscheidung des Staatsrates oder der obersten Justiz-Stelle nicht zufrieden
sind, ist durch die bayer. Verfassung nicht entschieden. Es dürfte demgemäß in
einem solchen Falle, in welchem ein entstandener Verfassungsstreit zwischen Land-
tag und Krone nicht beigelegt werden kann, die Bestimmung des Art. 76 Abs. II
der Reichsverfassungsurkunde zur Anwendung kommen:
„Verfassungsstreitigkeiten in solchen Bundesstaaten, in deren Verfassung
nicht eine Behörde zur Entscheidung solcher Streitigkeiten bestimmt ist, hat auf
Anrufen eines Teiles der Bundesrat gütlich auszugleichen oder, wenn das nicht
elingt, im Wege der Reichsgesetzgebung in Erledigung zu bringen.“ Vergl-
Buc#, Verf.-Urk. S. 52.
114) Die Bestimmungen des § 6 über die Minister-Anklage sind nunmehr
teils abgeändert, teils ersetzt durch das Gesetz vom 4. Juni 1848 über die Mi-
nister-Verantwortlichkeit (s. oben Anm. 13) und Gesetz vom 30. März 1850 über
den Fatsgerichtshof und das Verfahren bei Anklagen gegen Minister (Web. 4,
Letztgenanntes Gesetz ist durch Art. 31 Abs. 8 und Art. 34 des Einf.-Ges.
zum Str.-Ges.-B. vom 10. November 1861, ferner durch Art. 64 und 67 des