Full text: Handbuch des Staats- und Verwaltungs-Rechts für das Königreich Bayern. Band I. Das Deutsche Reich und das Königreich Bayern. (1)

§ 90 a. Die Beilagen zur Verfassungsurkunde. 2. Beilage. 525 
J. 2. Er darf demnach in Gegenständen des Glaubens und Ge- 
wissens keinem Zwange unterworfen,?17) auch darf niemandem, zu welcher 
Religion er sich bekennen mag, die einfache Hausandacht untersagt werden.?) 
Z § 3. Sobald aber mehrere Familien zur Ausübung ihrer Reli- 
gion sich verbinden wollen, so wird jederzeit hiezu die königliche aus- 
ung wird vielmehr nach wie vor durch die Landesgesetzgebung geregelt.““) Die 
diesbezügl. Bestimmungen des Religionsediktes bleiben daher in Giltigkeit. 
dsc) Was speziell die Anwendung des Vereinsgesetzes auf die hier ein- 
schlägigen Verhältnisse betrifft, so spricht eine Entscheidung des Verw.-Ger.-Hofes 
vom 5. August 1881 Bd. 3, 222 aus: „Die verfassungsmäßigen Be- 
stimmungen über Zusammenkünfte zum Zwecke der Gottesverehrung haben durch 
das Gesetz vom 26. Februar 1850 „die Versammlungen und Vereine betr.“ eine 
Aenderung nicht erfahren.“ Vergl. hiezu Seyd. 3, 51 und Anm. 43 und 44 da- 
selbst; ferner Bayer. Gemeindezeitg. 1. Jahrg. 1891 S. 18. Auch der Art. 4 
Ziff. 16 der Reichs-Verf. bezieht sich nicht auf die Bestimmungen über die 
Glaubensgesellschaften im Sinne der bayer. Verfassung, da ja 
dem Reiche überhaupt eine Gesetzgebungs= (oder Aufsichts-, Befugnis bezüglich der 
Regelung der rechtlichen Verhältnisse dieser Glaubensgesellschaften nicht 
zukommt; dagegen erstreckt sich diese Kompetenz des Reiches sehr wohl auf poli- 
tische oder Privatvereine mit kirchlicher oder religiöser Tendenz, soferne sie nicht 
zu den vorgenannten Glaubens= oder Religionsgenossenschaften gerechnet werden 
müssen oder können. (S. Seyd. 3, 481 f.) Ueber das Verhältnis zum bayer. 
Vereinsgesetz s. näheres unten § 303. 
Vergl. ferner auch, und zwar bezüglich der bürgerlichen Rechtsfähigkeit der 
Religionsgesellschaften, den Art. 84 des Einf.-Ges. zum bürgerl. Gesetzbuch: „Un- 
berührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften, nach welchen eine Religions- 
gesellschaft oder eine geistliche Gesellschaft Rechtsfähigkeit nur im Wege der Gesetz- 
gebung erlangen kann.“" — Aus dieser Vorschrift erhellt, daß z. B. eine der 
in letzterwähntem Art. 84 genannten Gesellschaften, soferne landesgesetzliche Be- 
stimmungen entgegenstehen, durch die bloße Eintragung ins Vereinsregister nach 
§ 21 des bürgerlichen Gesetzbuches die Rechtsfähigkeit nicht erlangen kann. 
31A) Es ist auch niemand gezwungen, überhaupt einer Konfession anzu- 
gehören; es darf daher keiner, der volljährig ist, genötigt werden, in eine Reli- 
gions= oder Kirchengesellschaft einzutreten. S. Pl.-Entsch. des Verw.-Ger.-Hofes 
vom 23. Oktober 1889, oben § 90 S. 484 Anm. 46, ferner Tit. IV 8 9 der Verf.-Urk. 
Vergl. hiezu auch v. Seyd. 3, 483 f. und Anm. 9 und 10 daselbst. 
3o) Unter „Hausandacht" ist lediglich die Abhaltung von Gottesdienst oder 
von Gebetsübungen, überhaupt von Gottesverehrung unter den Angehörigen. 
ein und der nämlichen Familie — inkl. der in der Familie ausgenom- 
menen (im Hause wohnenden) Dienstboten, Gewerbegehilfen, Lehrlingen, 2c. 2c. — 
zu verstehen. „Hausandacht“ ist also die auf den Kreis der Hausgenossen be- 
schränkte Gottesverehrung. 
Vergl. Entsch. des Verw.-Ger.-Hofes vom 5. August 1881, Bd. 3, 222: 
Mitglieder einer bestehenden israelitischen Kultusgemeinde, welche an den Gottes- 
diensten dieser Gemeinde nicht weiter teilnehmen wollen, dürfen, wenn nicht einer 
Familie angehörig, sich nicht zur Abhaltung von Separatgottesdiensten, wozu auch 
Gebetsübungen zählen, vereinigen, sondern haben sich auf die einfache Hausandacht, 
welche gleichbedeutend ist mit häuslicher Gottesverehrung, im Kreise der Familie 
zu beschränken; 
ferner Entsch. des Verw.-Ger.-Hofes vom 16. Oktober 1895, Bd. 17, 72 
unten Anm. 24. 
*“) Vergl. hiezu Ziff. II des Schlußprotokolls zum Versailler Vertrag (Web. 8, 679).
	        
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