546 § 90 a. Die Beilagen zur Verfassungsurkunde. 2. Beilage.
56. Auch ist Derselbe befugt, wenn Er wahrnimmt, daß bei
einer Kirchen-Gesellschaft Spaltungen, Unordnungen oder Mißbräuche ein-
gerissen sind, zur Wiederherstellung der Einigkeit und kirchlichen Ordnung
unter Seinem Schutze Kirchen-Bersammlungen zu veranlassen, ohne jedoch
in Gegenstände der Religionslehre Sich selbst einzumischen.
§ 57. Da die hoheitliche Oberaufsicht über alle innerhalb der
Grenzen des Staates vorfallenden Handlungen, Ereignisse und Verhält-
nisse sich ersech, so ist die Staatsgewalt berechtigt, von demjenigen, was
in den Versammlungen der Kirchen-Gesellschaften gelehrt und verhandelt
wird, Kenntnis einzuziehen. 912)
§ 58.32) Hiernach dürfen keine Gesetze, Verordnungen oder sonstige
Anordnungen der Kirchen -Gewalt nach den hierüber in den königlichen
Landen schon längst bestehenden General-Mandaten ohne allerhöchste Ein-
sicht und Genehmigung publiziert und vollzogen werden. Die geistlichen
Obrigkeiten sind gehalten, nachdem sie die königliche Genehmigung zur
Publikation (Plazet) erhalten haben, im Eingange der Ausschreibungen
*!z Verordnungen von derselben jederzeit ausdrücklich Erwähnung
zu thun.
Bezüglich eines angeordneten Trauergeläutes siehe Entscheidung des Verw.=
Ger.-Hofes vom 17. Februar 1888, oben 8 37 S. 134 Anm. 7; ferner Entsch.
des Verw.-Ger.-Hofes vom 23. Dezember 1891 B-Bd. 13, 334: „Der von der
Kirchenvorstandschaft mit der Vornahme des Trauergeläutes betraute Kirchendiener
kann sich desselben nicht schlechthin entschlagen, ist dagegen im allgemeinen als be-
rechtigt zu erachten, für die ihm übertragene Leistung eine Vergütung aus Kirchen-
stiftungsmitteln zu beanspruchen."“
Die Frage, in welchem Betrage eine solche Vergütung jeweils zu leisten
sei, bildet, wenn sie im Rahmen eines Verwaltungsstreites nach Art. 10 Ziff. 23
des Verw.-Ger.-Hofs-Ges. auftaucht, eine der letztinstanziellen Würdigung des
Verwaltungsgerichtshofes unterstellte Thatfrage, welche an sich unter Berücksich-
tigung aller konkreten persönlichen und örtlichen Verhältnisse zu beurteilen ist.
oia) Vergl. Anm. 75.
*.) Durch die Bestimmung des 8§ 58 lI. c. soll der Staatsregierung die
Möglichkeit geboten werden, von allen hier einschlägigen „Gesetzen, Verordnungen
oder sonstigen Anordnungen der Kirchengewalt“ vor deren Erlaß Kenntnis zu er-
langen und sie auf ihre gesetz= und bezw. verfassungsmäßige Zulässigkeit zu prüfen,
um auf diese Weise in den Stand gesetzt zu werden, überhaupt die Veröffentlichung
von Gesetzen 2c., welche mit der Verfassung nicht im Einklange stehen, verhindern
und in solcher Art gleich von vorneherein die allgemeinen staatlichen Interessen den
Kirchengesellschaften gegenüber wahren zu können. — Das Plazet erstreckt sich auf
alle kirchlichen Angelegenheiten, ganz besonders auch auf Anordnungen über innere
kirchliche Angelegenheiten, und erscheint sonach gewissermaßen als eine durch die
Verfassung selbst (Tit. IV § 9 Absf. 5) statuierte Ausnahme von der Regel, daß
sich der Staat in die inneren Kirchenangelegenheiten nicht einmischen solle.
Ueber das Plazet vergl. folgende Bestimmungen:
a. § 4 der geistl. Ratsordnung vom 16. August 1770 (Web. 1, 22);
b. Bekanntmachung vom 18. Februar 1804 (Web. 1, 87): „die ohne Bei-
satz der landesherrl. Bestätigung erschienenen Fastenpatente";
. Ziff. I der Verordn. vom 7. Mai 1804 (Web. 1, 89): „die Verhältnisse
der geistlichen Gewalt“;
d. §§ 65—68 des Religionsedikts vom 24. März 1809 (Web. 1, 282):
e. Tit. IV § 9 Abs. 5 der Verf.-Urk.;