Full text: Handbuch des Staats- und Verwaltungs-Rechts für das Königreich Bayern. Band I. Das Deutsche Reich und das Königreich Bayern. (1)

8 90a. Die Beilagen zur Verfassungsurkunde. 2. Beilage. 557 
§ 95. Selbst ein vieljähriger Mitgebrauch kann für sich allein die 
Erwerbung eines wirklichen Rechtes durch Verjährung künftig nicht be- 
gründen. 12) 
§ 96. Wenn jedoch außer diesem Mitgebrauche auch die Unter- 
haltung der Kirche von beiden Gemeinden bestritten worden, so begründet 
dies die Vermutung, daß auch der später zum Mitgebrauch gekommenen 
Gemeinde ein wirkliches Recht darauf zustehe. 
§ 97. Solange eine Gemeinde den Mitgebrauch nur bittweise hat, 
muß sie bei jedesmaliger Ausübung einer bisher nicht gewöhnlichen gottes- 
dienstlichen Handlung die Erlaubnis der Vorsteher dazu nachsuchen. 
§ 98. Den im Mitgebrauche einer Kirche begriffenen Gemeinden 
stit es jederzeit frei, durch freiwillige Uebereinkunft denselben austuheden 
und das gemeinschaftliche Kirchenvermögen unter königlicher Genehmigung, 
welche durch das Staatsministerium des Innern 1287) eingeholt werden zuß 
abzuteilen, und für jede eine gesonderte gottesdienstliche Anstalt zu bilden. 
§ 99. Auch kann eine solche Abteilung von der Staatsgewalt aus 
polizeilichen oder administrativen Erwägungen, oder auf Ansuchen der Be- 
teiligten verfügt werden. 
§ 100. ) Wenn ein Religionsteil 10) keinen eigenen Kirchhof#0) 
besitzt, oder nicht bei der Teilung des gemeinschaftlichen Kirchenvermögens 
einen solchen für sich anlegt, so ist der im Orte 131) befindliche als ein 
gemeinschaftlicher Begräbnisplatz für sämtliche Einwohner des Orts zu 
betrachten, zu dessen Anlage und Unterhaltung aber auch sämtliche Reli- 
gionsverwandte verhältnismäßig beitragen müssen. 132) 
138) Zu §8 94 und 95 vergl. auch Min.-E. vom 13. September 1843 „das 
Geläute der Glocken katholischer Kirchen bei Begräbnissen verstorbener Protestanten 
betr.“ (Web. 3, 518). 
133) Staatsministerium des Innern für Kirchen= und Schulangelegenheiten. 
12)) Zu 8§8 100 vergl.: · 
Min.-E.voml2.Dezember1827:»dieAnsprüchederProteftanteninN. 
auf den Gebrauch des Kirchhofes daselbst“ (Web. 2, 395); 
Min.-E. vom 8. Mai 1850 (Web. 4, 114): „die Beerdigung von Katho- 
liken auf protestantischen und von Protestanten auf katholischen Kirchhöfen betr.“; 
Min.-E. vom 12. Oktober 1847 (Web. 3, 671): „die Beerdigung der 
Mennoniten betr.“; 
Min.-E. vom 7. Juni 1851 (Web. 4, 260): „den Mitgebrauch des Neu- 
stadt-Erlanger Friedhofs von Seite der freien Gemeinde (Deutschkatholiken) betr.“; 
Min.-E. vom 5. Dezember 1862 (Web. 6, 129): „die Verhältnisse der 
Irvingianer in Schwaben und Unterfranken betr.“ 
130) Der § 100 bezieht sich auf alle Religionsgenossen, d. h. die Ange- 
hörigen aller Religionsgesellschaften, ohne Unterschied, ob christlich oder nicht- 
christlich. Vergl. dagegen Anm. 124. 
18 Nach Art. 38 der rechtsrheinischen (Art. 29 der pfälzischen) Gemeinde- 
ordnung gehört die Herstellung und Unterhaltung der öffentlichen Begräbnisplätze 
zu den Obliegenheiten aller politischen Gemeinden. 
Dies schließt natürlich nicht aus, daß einzelne Religionsgesellschaften für 
sich besondere, ihnen speziell zugehörige Friedhöfe besitzen. 
Ist dies der Fall, dann dienen diese besondern Friedhöfe selbstverständlich 
zunächst nur zur Beerdigung der Angehörigen der betr. Religionsgesellschaft. Für 
den Fall nun aber, daß „ein Religionsteil keinen besondern Kirchhof besitzt“, hat
	        
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