Full text: Handbuch des Staats- und Verwaltungs-Rechts für das Königreich Bayern. Band I. Das Deutsche Reich und das Königreich Bayern. (1)

576 § 90a. Die Beilagen zur Verfassungsurkunde. 7. Beilage. 
Diese sollen, wie die mit dem Fideikommisse bei dessen Errichtung ver- 
bundenen Mobilien (8 6) gehörig verzeichnet, abgeschätzt, und dem Fideikommiß- 
Nachfolger in dem Umfange, welchen jenes Verzeichnis ausspricht, in vollkommen 
brauchbarem Stande hinterlassen oder in eben derselben Qualität ersetzt werden.) 
8 9. Besteht das Familien-Fideikommiß in einem Gutskomplexe, so sind 
ferner Pertinenzstücke desselben mit gleicher Eigenschaft: 
1) bei Oekonomien der nötige Samen und das bis zur nächsten Ernte 
hinreichende Speise-Getreide, dann 
2) bei Brauereien ein nach dem zur Zeit der Fideikommiß-Folge sich be- 
zeigenden Betrieb des Brau-Geschäftes notwendiger halbjähriger Vorrat. 
§ 10. Kann ein Fideikommiß auf das dazu bestimmte Vermögen nicht 
sogleich gegründet werden, so ist die Disposition giltig, wenn dasselbe aus dem 
Vermögen entweder für sich selbst oder mittelst der inzwischen anfallenden und 
als Kapital anzulegenden Früchte und Zinsen längstens in 20 Jahren hergestellt 
werden kann. 
Bis zur Erfüllung dieser Bedingung soll ein solches Vermögen gleich dem 
Vermögen der Minderjährigen unter Aufsicht des zuständigen Gerichts verwaltet, 
das bare Geld gegen hypothekarische Sicherheit verzinslich angelegt und von dem 
Appellationsgerichte, bei welchem diese Disposition in die Fideikommiß-Matrikel 
einzutragen ist, dafür gesorgt werden, daß innerhalb der vorbemerkten 20 Jahre 
das Fideikommiß durch Ankauf eines dazu geeigneten Vermögens oder durch dessen 
Freimachung von Lasten und Schulden vollkommen gegründet werde. 
§ 11. In einer Familie können neben dem Fideikommisse für die erst- 
geborene Linie noch mehrere Fideikommisse für die nachgebornen Linien errichtet 
werden. 
8§ 12. Mit einem Fideikommisse können besondere Dispositionen zum 
Vorteil einzelner Mitglieder des Geschlechts, z. B. für den Geschlechts-Aeltesten, 
für die nachgebornen Söhne, für Ausstattung der Töchter, für den Unterhalt der 
Witwen und dergleichen verbunden werden. Diese Anordnungen sind als Lasten 
des Fideikommisses zu betrachten, für welche nach § 5 ein besonderer Fond aus- 
geworfen werden muß. 
8 13. Die Rechte und Verbindlichkeiten des Fideikommiß-Besitzers und 
der Mitglieder der Familie in Ansehung des Fideikommisses sind hauptsächlich 
nach dem erklärten Willen des Stifters, soweit dessen Anordnungen dem gegen- 
wärtigen Edikte nicht zuwiderlaufen, zu beurteilen.?) 
Eine Abänderung dieser Dispositionen findet nur unter den Voraus- 
setzungen und aus den Gründen statt, unter welchen die Auflösung des Fidei- 
kommisses (§ 97) gestattet ist. 
§ 14. Alle Handlungen, welche sich auf die Bestätigung des Fideikommisses 
beziehen oder sonst die Genehmigung des Gerichts erfordern, sowie die Führung 
der Fideikommiß-Matrikel sind dem Appellationsgerichte zugewiesen, in dessen Be- 
zirk das Fideikommiß-Vermögen gelegen ist. Liegen die Güter unter verschiedenen 
Appellations-Gerichten,o%) so ist dasjenige zuständig, in dessen Bezirk sich das 
Haupt-Objekt des Fideikommisses befindet. 
  
*!) Siehe § 4 des Gesetzes vom 11. September 1825: „die Bestimmung 
des § 8, daß die zum Fideikommisse gehörigen Mobilien verzeichnet und abge- 
schätzt werden sollen, findet auf den Stifter des Fideikommisses keine Anwendung.“ 
!) Siehe § 3 des Gesetzes vom 11. September 1825: „der Konstituent oder 
Stifter eines Fideikommisses ist nach § 13 anzuordnen befugt, daß ein bestimmter 
oder unbestimmter Teil des Fideikommiß-Ueberschusses zur Tilgung der auf dem- 
selben bei dessen Konstituierung haftenden Schulden von dem Fideikommißbesitzer 
veräußert werden könne oder soll.“ «
	        
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