§ 90a. Die Beilagen zur Verfassungsurkunde. 7. Beilage. 589
2) das Appellations-Gericht 1°) hat sämtliche Beteiligte und statt der Ab-
wesenden oder Minderjährigen deren schon bestellte oder für diesen
Gegenstand besonders zu bestellenden Kuratoren, auch den von amts-
wegen fur diesen Fall besonders aufzustellenden Vertreter des Fidei-
kommisses und der Nachkommenschaft vorzuladen, denselben die Gründe
und den Plan der Auflösung umständlich zu eröffnen und ihre Er-
klärung darüber aufzunehmen. Unter den Beteiligten sind nicht nur
alle zur Fideikommiß-Folge Berechtigten, sondern auch die Substi-
tuierten begriffen;
wenn einer der Beteiligten seine Einwilligung in die Auflösung des
Fideikommisses verweigert, so kann das Fideikommiß nicht aufgelöst
werden. Der Widerspruch des Fideikommiß-Vertreters hindert jedoch
die Auflösung nicht weiter, als dessen Gründe für überwiegend erachtet
werden;
4) das Appellations-Gericht ) prüft die Sache, erwägt die für oder gegen
die Auflösung vorgebrachten Gründe, berücksichtigt die dabei etwa ver-
flochtenen und ungekränkt zu belassenden Rechte Dritter und faßt wegen
Versagung oder Erteilung der Genehmigung die geeignete Entschließung.
§ 98. Bei dieser Auflösung des Fideikommisses werden die rechtlichen
Folgen derselben durch die hiebei festgesetzten Bedingungen bestimmt; dasjenige,
worüber nichts sestgesetzt wurde, bleibt bei dem letzten Besitzer.
8 99. Wenn der letzte Besitzer keine zur Fideikommiß-Folge berufene und
fähige Nachkommenschaft hinterläßt, auch für diesen Fall niemand in das Fidei-
kommiß substituiert ist, so genießt derselbe das Recht, darüber von todeswegen frei
zu disponieren, und es tritt, wenn er hievon keinen Gebrauch macht, nach seinem
Absterben die gemeine Intestat-Erbfolge ein.
§ 100. Bei jeder Auflösung eines Fideikommisses fällt das aus einer
königlichen Dotation herrührende Vermögen an den Staat zurück und die mit
demselben verbundenen Lehen sind nach dem Lehen-Edikte zu beurteilen.")
§ 101. Jede Auflösung eines Familien-Fideikommisses soll öffentlich be-
kannt gemacht und die Löschung in der Matrikel, wie in den Hypotheken-Büchern
veranlaßt werden.
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Titel VII.
Besondere Bestimmungen.
§ 102. Die Verhältnisse der vormals unmittelbaren Fürsten, Grafen und
Herren, in Beziehung auf ihre Familien-Fideikommisse und Stamm-Güter sind in
einem besonderen Edikte bestimmt. “)
§ 103. Der Konstituent eines nach Aufhebung der Familien-Fideikom-
misse errichteten Majorats kann dasselbe nach den in der Majorats-Urkunde be-
stimmten Rechten fortbestehen lassen oder in ein Familien-Fideikommiß nach den
Bestimmungen des gegenwärtigen Ediktes innerhalb zwei Jahren verwandeln.
8§ 104. Bei den Fideikommissen der Familien des vormaligen unmittel-
baren Reichs-Adels, welche noch in ihrem alten Komplexe bestehen und nicht in-
zwischen an andere Besitzer übergegangen sind, treten die Bestimmungen ein,
welche in Ansehung derselben in der Bundesakte '") gegeben worden, nach welcher
in diesem Falle die bestehenden Familien-Verhältnisse aufrecht erhalten werden.
:# ) Siehe Lehenedikt vom 7. Juli 1808 (Web. 1, 176 ff.).
*) Vergl. 4. Verf.-Beilage § 9, sowie Anm. 11 zu derselben, oben S. 562.
") Vergl. Art. 14 der deutschen Bundesakte vom 8. Juni 1815 (Web. 1,
477), ferner vorstehende Anm. 25.