Full text: Handbuch des Staats- und Verwaltungs-Rechts für das Königreich Bayern. Band I. Das Deutsche Reich und das Königreich Bayern. (1)

8 28. Reichsgesetzgebung und Landesgesetzgebung. 71 
in der reichsgesetzlich behandelten Materie unzulässig — soweit nicht die 
betreffenden Reichsgesetze eine solche Ergänzung durch die Landes- 
gesetzgebung selbst speziell zulassen —. Gleiches gilt von der Er— 
lassung einzelstaatlicher Ausführungsgesetze zu Reichsgesetzen. 
Diese müssen ebenso wie die Ausführungsverordnungen in der 
Regel im betreffenden Reichsgesetze den Einzelstaaten besonders vor— 
behalten sein. 
Ueberhaupt ergibt sich für die Gesetzgebungskompetenz des 
Reiches und resp. der Einzelstaaten eine dreifache Unterscheidung:1) 
a. Es ist entweder die ausschließliche Zuständigkeit des 
Reiches gegeben oder 
b. Es liegt eine gemischte Kompetenz in der Art vor, daß die 
Landesgesetzgebung so lange statt hat, bis das Reich die 
gesetzliche Regelung der betreffenden Materie übernimmt 
oder 
c. Es ist die ausschließliche Zuständigkeit des Einzel- 
staates vorhanden. 
ad a. 
ad b. 
  
Hieher gehören alle eigentlichen Reichsangelegenheiten: 
d. h. diejenigen über Reichsverfassung', Reichsbehörden 
und -Beamte, Wahlrecht, Reichsanstalten und organische 
Einrichtungen des Reiches 2c., desgl. alle jene Gegenstände, 
welche durch die Verfassung der ausschließlichen Regel- 
ung durch das Reich überwiesen sind: z. B. Art. 3 
Abs. 5; 35 Abs. 1; 54 Abs. 2, 56, 61 (mit Reichs- 
militärgesetz vom 2. Mai 1874, Reichs-Ges.-Bl. S. 45), 
69 2c. Wo die ausschließliche Kompetenz des Reiches 
gegeben ist, erscheint die Gesetzgebung der Einzelstaaten 
vollständig und zwar auch bezüglich derjenigen Punkte 
ausgeschlossen, welche noch nicht im Reiche gesetzlich ge- 
regelt sind. 
Hieher gehören alle übrigen zu vorstehender lit-a. nicht 
gehörigen Gegenstände des Art. 4 der Reichs-Verf. Be- 
züglich dieser Angelegenheiten, für welche die Regelung 
durch Reichsgesetz nicht absolut eintreten muß, aber jeder- 
zeit eintreten kann, bleiben die Landesgesetze und die 
Verordnungen der Einzelstaaten so lange in Kraft, resp. 
können noch weitere Landesgesetze und Verordnungen von 
den einzelnen Bundesstaaten so lange erlassen werden, bis 
das Reich durch Reichsgesetze oder — soweit dies zulässig 
— durch Reichsverordnungen die betr. Materien regelt. 
Letzteren Falles werden dann, insoweit, als die reichs- 
gesetzliche Regelung stattgefunden hat, die landesgesetzlichen 
Normen aufgehoben. 
!) Vgl. hiezu Seydel, Commentar zur Verf.-Urkunde des deutschen Reiches 
zu Art. 2 S. 35 ff.
	        
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