72 8 29. Die Staatsverträge.
ad e. Alles was nicht der ausschließlichen oder gemäß lit P. der
fakultativen Zuständigkeit des Reiches auf Grund der
Reichs-Verf. resp. der Bündnisverträge überlassen ist,
gehört und verbleibt nach wie vor der ausschließlichen
Kompetenz der Einzelstaaten. Dieselbe ist also auch
überall da gegeben, wo nicht durch eine besondere rechts-
verbindliche Bestimmung die Zuständigkeit des Reiches
normiert ist. Eine Einschränkung des hier in Rede
stehenden Wirkungskreises der Einzelstaaten kann nur
durch Reichsgesetz, welches unter Beachtung der Form
des Art. 78 Abs. I und (soferne es sich um ein Sonder-
recht handelt) Abs. II der Reichs-Verf. erlassen werden
muß, erfolgen.
Endlich sei noch hier erwähnt, daß nach Art. 17 der
Reichs-Berf. dem Kaiser die Ueberwachung der Aus-
führung der Reichsgesetze zusteht und daß nach Art. 4
I. c. die in diesem Artikel aufgeführten Angelegenheiten
der Beaufsichtigung seitens des Reiches unterliegen.
Sollten sich hiebei Differenzen zwischen dem Reiche und
den betr. Einzelstaaten oder bezw. Mängel bei der Aus-
führung der Reichsgesetze ergeben, so hat hierüber gemäß
Art. 7 Abs. I Ziff. 3 der Bundesrat zu beschließen und
auf diese Weise derartige Mängel oder sonstige Uneben-
heiten zu beseitigen.
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Die Staatsverträge.
(Lab. 1, 597—640)
Soweit die Kompetenz der Reichsgesetzgebung geht, ebensoweit
kann das Reich auch vertragsmäßige Abkommen treffen, Staatsver-
träge mit völkerrechtlicher Wirkung abschließen. Die sachliche Zu-
ständigkeit für den Abschluß von Staatsverträgen ist also ganz die
nämliche wie die zur Erlassung von Gesetzen und bezw. Verordnungen.
Doch hat der Staatsvertrag nicht wie das Gesetz eine Rechts-
wirkung gegen die Unterthanen, sondern er ist ein Rechtsgeschäft, durch
welches nur zwischen den Kontrahenten d. h. zwischen den verein-
barenden Staaten Rechte und Pflichten begründet werden. Es hat
auch nur der Staat als solcher den Staatsvertrag zu erfüllen. Doch
kann diese Erfüllung in vielen Fällen nicht anders geschehen, als durch
bestimmte Aufträge seitens der kontrahierenden Regierung an Unter-
thanen oder Behörden oder auch durch Erlaß von Gesetzen oder Ver-
ordnungen.
Nach Art. 11 Abs. I der Reichs-Verf. hat nun der Kaiser
das deutsche Reich völkerrechtlich zu vertreten, Bündnisse und andere
Verträge mit fremden Staaten einzugehen.