74 § 30. Die Reichs-Verwaltung.
von Staatsverträgen: also speziell bezüglich der in Art. 4 I. c. auf-
geführten Angelegenheiten so lange und so weit, als das Reich von
seiner Zuständigkeit noch keinen Gebrauch gemacht hat. Sobald aber
und soweit als letzteres seitens des Reiches geschieht, fallen die betr.
entgegenstehenden Staatsverträge der Einzelstaaten oder bezw. die
diesbezüglichen einzelnen Bestimmungen derselben hinweg. Die Ein-
zelstaaten dürfen ferner eingedenk ihrer Bundestreue auch in den ihrer
Kompetenz vorbehaltenen Gegenständen keine Staatsverträge abschließen,
durch welche sie sich mit dem Reiche in Widerspruch setzen würden.
Alle durch Staatsverträge seitens der einzelnen Bundesstaaten
erworbenen Rechte finden endlich ebenso wie die vom Reiche selbst
erworbenen ihren Schutz ausschließlich durch das Reich nach
Art. 76 Abs. 1 und Art. 11 Abs. 1 und 2 der Reichs-Verf. sowie
spez. nach der Einleitung zu derselben verb.: „zum Schutze des
Bundesgebietes und des innerhalb desselben giltigen Rechtes."“
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Die Reichs-Verwaltung.)
Unter „Reichs-Verwaltung“ verstehen wir:
„Die auf die Erfüllung der Reichsaufgaben, die Erzielung der Reichs—
zwecke gerichtete Ausübung der Gesamtheit aller Machtbefugnisse des
Kaisers und der Reichsregierung, welche unabhängig sind von der
Mitwirkung der gesetz gebenden Organe sowie von der Ausübung der
Rechtspflege und der Gerichtsbarkeit.“
Ausgeübt wird diese Macht vom Kaiser auf Grund des Art. 17
der Reichs-Verf. und zwar insbesondere durch die Ernennung des
Reichskanzlers, dessen Anordnungen die Reichsbehörden zu gehorchen
verpflichtet sind.
Eine Schranke findet diese Verwaltungsbefugnis stets im Bud—
getrecht des Reichstages: ohne die Genehmigung der nötigen Mittel
kann eben einfach Nichts durchgeführt werden, soferne nicht ander-
weitig die Mittel vorhanden sind.
Zur Verwaltung gehören auch die Verwaltungs-Entscheidungen
desgl. im weiteren Sinne die Entscheidungen der Verwaltungsgerichts-
behörden.
Nach dem Reichs-Staatsrecht (Art. 2 der Reichs-Verf.) haben
Gesetze und auf solche sich gründende Verordnungen rechtsverbindliche
Kraft nach Außen nur, wenn sie im Reichsgesetzblatte publiziert sind,
also haben alle Verordnungen, (selbst die Rechts verordnungen) nur
die Kraft von einfachen Verwaltungsverfügungen, wenn ihre Publi-
kation im Reichsgesetzblatte nicht erfolgt ist.
Auch im Reiche gelten die im Rechtsstaate herrschenden Prin-
zipien.
":) Laband 1, S. 640—678.