80 § 32. Allgemeines.
Bundesstaat bestehend aus mehreren Einzelstaaten geschaffen, sondern
ein völkerrechtlicher, vertragsmäßiger Bund der beteiligten Einzel-
staaten geschlossen werden.
In der ganzen Reichsverfassung ist nicht ein einziges Mal
das Wort „Bundesstaat“ in dem Sinne gebraucht, daß mit demselben
das deutsche Reich als „Gesamtbundesstaat“ oder „Einheitsbundesstaat“
bezeichnet werden sollte; im Gegenteil, überall wo der Ausdruck
„Bundesstaat“ vorkommt, meint derselbe nur den oder die einzelnen
deutschen Staaten, welche zum deutschen Bund (deutschen Reich)
gehören und in dieser Zugehörigkeit zu diesem Bunde als
Mitglieder desselben bezeichnet werden. Der Wortlaut des
Art. 3, Abs. I. Art. 6; 7 Abs. 4; 8 Abs. 2 und 3; 19, 33, 35,
36, 38, 39, 41, 42, 51, 54, 56, 58, 62, 66, 67, 70, 76, 77,
78 Abs. 2 beruht auf der Voraussetzung, daß das „Deutsche
Reich" ein Bund von Staaten ist.
Speziell wird in Art. 3 das allgemeine deutsche Indigenat nicht
dahin bestimmt, daß der Angehörige eines Einzelstaates zugleich
Reichsangehöriger in dem Sinne ist, daß er dem Reiche als einem
Gesamtstaate oder Einheitsbundesstaate angehört, sondern nur dahin,
daß der Angehörige eines jeden deutschen Staates in jedem anderen
deutschen Staate als Inländer zu behandeln sei. So spricht auch die
Verfassung nirgends von einer besonderen Reichsangehörigkeit, einem
Reichsstaatsbürgerrecht 2c. 2c., sondern ebenfalls nur davon, daß jeder
Angehörige eines Bundesstaates in jedem anderen Bundesstaate
zur Erlangung des Staatsbürgerrechtes (nämlich des betreffenden
Einzelstaates) und zum Genusse aller sonstigen bürgerlichen Rechte
unter denselben Voraussetzungen wie der Einheimische d. h. der
Angehörige dieses anderen Bundesstaates zugulassen ist.
Endlich spricht Art. 11 der Reichs-Verf. nur von einem Prä-
sidium des Bundes, ferner davon, daß dieses Präsidium dem
Könige von Preußen zusteht, welcher — als Bundespräsident — den
Namen „Deutscher Kaiser“ führt. Hätte die deutsche Reichs-Verf.,
hätten die den Bund „Deutsches Reich“ schließenden deutschen
Fürsten nicht einen Staaten bund, sondern, wie Laband an-
nimmt, einen Einheitsbundesstaat „Deutsches Reich“" gründen wollen,
dann mußte sich die Reichsverfassung einen anderen Wortlaut sowohl
in ihrer Einleitung als in fast allen den genannten Artikeln geben.
Insbesondere wäre es solchen Falles das erste Erfordernis der
Verfassung gewesen, zu bestimmen, daß ein Einheitsstaat geschaffen
werden, daß das deutsche Reich ein Einheitsst a t bestehend aus den
kontrahierenden Staaten sein solle, daß dieser neue Staat eine
„Monarchie“ sei, an deren Spitze ein Kaiser stehe und zwar als
Monarch und Souverän. Dies war aber von den kontrahierenden
Fürsten weder beabsichtigt, noch ist es irgendwo oder irgendwie in
der Reichsverfassung ausgesprochen oder auch nur angedeutet. Gerade