Full text: Handbuch des Staats- und Verwaltungs-Rechts für das Königreich Bayern. Band I. Das Deutsche Reich und das Königreich Bayern. (1)

§ 32. Das Verhältnis Bayerus zum Reiche. Allgemeines. 81 
das Gegenteil ist, wie oben gezeigt, der Fall. Die Bezeichnung 
„Deutscher Kaiser“ ist nur ein Ehrentitel des Königs von Preußen 
in seiner Eigenschaft als Präsident des Bundes „Deutsches Reich" 
(siehe oben § 8). 
Die vom Kaiser als Inhaber des Bundespräsidiums ausgeübten 
Souveränitätsrechte sind nicht solche des Reiches oder des Kaisers, 
sondern solche der Fürsten des deutschen Bundes. Diese deutschen 
Fürsten — und zwar der König von Preußen, ebenso wie die übrigen 
— haben bei der Eingehung des Bündnisvertrages in keiner Weise 
auf ihre Hoheits= oder Sonveränitätsrechte selbst verzichtet. Sie haben 
vielmehr nur die teilweise Ausübung derselben im Interesse der 
Einheit und der Einigkeit des deutschen Reiches und des deutschen 
Volkes dem Präsidium des Bundes oder dem deutschen Kaiser (quasi 
per delegationem) auf Grund vertragsmäßigen Uebereinkommens 
überlassen. 
Es ist dies sogar wortdeutlich zum Ausdruck gekommen in Art. 
11, Abs. I der Reichs-Verf., wo gesagt ist, daß der deutsche Kaiser 
„im Namen des Reiches d. h. des Bundes der deutschen Staaten, 
Krieg zu erklären, Frieden zu schließen, Bündnisse und andere Ver- 
träge mit fremden Staaten einzugehen, Gesandte zu beglaubigen und 
zu empfangen hat"“. 
Wenn also der Kaiser als Inhaber des Bundespräsidiums 
Souveränitätsrechte, soweit die Reichsverfassung sie gewährt, aus- 
übt, so sind das, wie bereits gesagt, nicht eigene Sonveränitäts- 
rechte, die er direkt von der Kaiserwürde oder direkt vom Reiche selbst 
ableiten könnte, sondern Sonveränitätsrechte des Königs von Preußen, 
von Bayern, von Württemberg, Sachsen und aller anderen deutschen 
Bundesfürsten, deren Ausübung ihm auf Grund vertragsmäßigen 
Uebereinkommens durch Schließung des ewigen Bundes „Deutsches 
Reich“ unter Zugrundlegung der deutschen Reichsverfassung als Basis 
und Inhalt dieses Vertrages von den vertragschließenden deutschen 
Fürsten nach Maßgabe dieser Verfassung übertragen worden sind. 
Die deutschen Fürsten sind demgemäß ebenso wie vor Errichtung des 
deutschen Reiches noch vollständig so uverän, Souveräne ihres Landes 
mit allen Hoheitsrechten, welche die Verfassung ihres Landes mit 
ihrer Krone verbindet. Wollte man das deutsche Reich als Bundes- 
staat auffassen (Laband 3. Aufl., Bd. 1, 50 ff.), so könnte diese Auf- 
fassung in letzter Consequenz nichts anderes bedeuten, als allen deutschen 
Fürsten inkl. dem Könige von Preußen als solchem ihre Souveränität 
— da es Teilung des Begriffes Souveränität nicht gibt — ab- 
zuerkennen und sie zu Vasallen des Deutschen Kaisers zu erklären. 
Das ist nie und nimmermehr der Fall und das wollte auch 
Keiner der deutschen Fürsten, welche sich zum deutschen Bunde 
freiwillig und auf dem Wege freiwilliger Vertragsvereinbarung mit 
dem Norddeutschen Bunde vereinten. Und daraus ergibt sich die 
Pohl, Handbuch. I. 6
	        
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