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9. Bei Anträgen auf Erteilung von #enhergewerbescheinen haben die
Ortspolizeibehörden sorgfältigst zu prüfen, ob nicht gemäß §§ 57—57 b der
Reichsgewerbeordnung der Wandergewerbeschein zu versagen ist. (Aus-
ländischen Zigeunern ist der Wandergewerbeschein nach der Bekanntmachung
des Reichskanzlers vom 27. November 1896 I[R.-G.-Bl. S. 745] stets und
unter allen Umständen zu versagen.)
Werden Anträge auf Erteilung von Wandergewerbescheinen auf-
enommen, so ist zur Erörterung der persönlichen Verhältnisse der Antrag-
Meller (§&& 63, 66 der Ausführungsanweisung zur Reichsgewerbeordnung
vom 1. Mai 1904) das unter Nr. 64 daselbst vorgesehene Formular zu
benugen.
ei den einzelnen Fragen dieses Formulars ist nachstehendes zu be-
achten.
Zu Frage 4 und 5. Ueber Vorleben und Vorstrafen sind, sobald irgend-
welche Zweifel obwalten, Nachforschungen bei der gegenwärtigen oder letzten
Wohnsitzgemeinde, nötigenfalls auch bei der Strafregisterbehörde anzustellen.
Zu Frage 6. Ein fester Wohnsitz ist nur dann anzunehmen, wenn der
Antragsteller eine Wohnung unter Umständen inne hat, welche auf die Absicht
der dauernden Beibehaltung einer solchen schließen lassen.
Zu Frage 9. Es ist zu prüfen ob der Antragsteller eine eingerichtete
Wirtschaft *l und in welcher Weise im übrigen der Unterhalt seiner
Familie gesichert ist.
Zu Hage. 11. Als genügender Schulunterricht kann nur der angesehen
werden, welcher am Wohnort der Eltern erteilt wird. Vorübergehender
gechtruch der Zigeunerkinder auf den Wanderungen der Eltern ist nicht
tatthaft.
10. Von den Zigeunern vorgelegte Papiere sind auf ihre Echtheit und
die Bedeutung des Inhalts genau zu prüfen, auch ist streng darauf zu
halten, daß abgelaufene Scheine abgeliefert werden.
Fürsorgeerziehung.
11. Die Verhältnisse, unter denen die Jlgeunerkinder im allgemeinen
aufwachsen, haben häufig ihre sittliche Berwahrlosung zur Folge und geben
die Veranlassung, sie gemäß § 1 des Gesetzes vom 2. Juli 1900 der Für-
sorgeerziehung zu überweisen. Die schulpflichtigen Kinder entbehren vielfach
des geseblichdh= Volksschulunterrichts, die noch nicht schulpflichtigen befinden
sich oft in einem Zustande körperlicher Verwahrlosung, welcher das Ein-
schreiten des Vormundschaftsgerichts erheischt.
Das Wanderleben der Zigeuner allein genügt noch nicht zur Begründung
eines Fürsorgeerziehungsbeschlusses, weelmehr ist die konkrete Feststellung er-
forderlich, daß das betreffende Kind der Verwahrlosung entgegengeht. Dieser
Nachweis ist daher in jedem Einzelfalle auf Grund der tatsächlichen Ver-
hältnisse unter Bezugnahme auf den körperlichen Zustand, die mangelnden.
Schulkenntnisse oder etwaige Htrasaten des Kindes zu erbringen. Die Ge-
meinde= und Ortspolizeibehörden aben nach dieser Richtung hin die minder-
jährigen Kinder der in ihrem Bezirke wohnenden oder aufhaltsamen Zigeuner
besonders sorgfältig zu überwachen und, sofern die Voraussetzungen der
Fürsorgeerziehung vorliegen, dem Landrat als der nach § 4 des Gesetzes
zuständigen Antragsbehörde ungesäumt zu berichten. Bei Gefahr im Ver-
zuge sind die Kinder dem Vormundschaftsgerichte mit dem Ersuchen un-
mittelbar vorzuführen, ihre vorläufige Unterbringung gemäß § 5 a. a. O.
anzuordnen.
12. Handelt es sich um Zigeunerkinder auf der Wanderschaft, und kann
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