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hätte, herzugeben, als daß im nächsten Frühjahr unberechen-
barer Schaden durch einen Dammbruch erlitten würde. Zum
Schluß las der in Bismarcks Begleitung erschienene Geometer
die schon ausgefertigten Akten vor und Bismarck forderte die
Leute auf, zu unterschreiben. Jetzt trat ein alter Bauer mit
faltigem Gesicht vor und erklärte ganz langsam: „Sä künnen
schon recht hebben, Herr Deichhauptmann, aberst unnerschrewen
duh ich nich.“ Ein flüchtiges Lächeln huschte über Bismarcks
Gesicht, als ob er sagen wollte, das habe ich vorher gewußt;:
darauf winkte er seinem Burschen und raunte ihm ein paar
Worte ins Ohr. Dieser klemmte sich neben dem Tisch durch,
ging durch die große Halle, in der sich die Bauern befanden,
nach der anderen einzigen Ausgangstüre, schloß dieselbe ab,
ging zurück mit dem abgezogenen Schlüssel in der Hand und
legte denselben neben Bismarck auf den Tisch. Die Bauern
sahen einander verdutzt an und: „wat sull denn dat, wat
sull denn dat heißen,“ ging es von einem zum andern. Bis-
marck stand auf: „Das soll heißen, daß Ihr nicht eher fort-
kommt, als bis Ihr unterschrieben habt!“ Die Leute nahmen
dies auffallend ruhig hin, blieben aber im übrigen dabei:
„Unnerschrewen duhn wie nich.“
Nun steckte sich Bismarck eine Zigarre an, unterhielt sich
mit dem Geometer und las seine Zeitung. Es verging eine
Stunde, ohne daß die Bauern sich gefügt hätten. Dann schickte
er den Burschen Frühstück holen. Der Geometer räumte den
Tisch ab, und bald war derselbe mit Brot, Butter, Schinken,
Eiern und Bier besetzt. Bismarck forderte den Geometer zum
Essen auf, und so frühstückten sie mit größter Seelenruhe, den
störrischen Bauern das Zusehen überlassend. Diesen fing auch
langsam an, der Magen zu knurren, und sehnsüchtige Blicke
warfen sie auf den wohlbesetzten Tisch. Nachdem das Frühstück
abgeräumt war, wurden die Akten wieder aufgelegt. Nach
einer weiteren Stunde kam ein Bauer, der während des Essens