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liegen. Er begann alsbald mit seiner bekannten Lebhaftig—
keit die bisherige deutsche Kriegführung zu kritisieren. „Bis
zur Schlacht von Sedan hat man noch leidlich operiert. Aber
seitdem hat man eine Torheit nach der anderen begangen.
Nach der Schlacht von Sedan ist man, statt mit konzentrierten
Kräften im Argonner Walde stehen zu bleiben und den Feind
anlaufen zu lassen, wie unsinnig nach Paris gerannt, ohne
zu wissen, wozu. Ich habe dagegen protestiert, aber Moltke
hat keine Vernunft angenommen.“ Der Prinz entgegnete sar-
kastisch, Moltkes Torheit sei um so unfaßlicher, als derselbe
ja aus der Geschichte des Krieges von 1792 wissen müsse,
wie gut den preußischen Heeren damals das Stehenbleiben
in den Argonnen bekam.
Beim Abschiede fragte Bismarck den Prinzen, ob er
nicht zuweilen bei ihm essen wolle, um, wie in alter Zeit,
zuweilen eine Flasche Sekt mit ihm zu trinken.
Versailles, 29. Dezember 1870.
Unterredung mit dem Kronprinzen über einen
Brief des Königs der Belgier.“
Der Kronprinz hatte von dem König der Belgier einen
Brief erhalten, der voll Sympathie war für Kaiser und Reich und
voll großer Erwartungen von denselben; der König sah darin
die Wiederherstellung der Ordnung und des Rechtsbewußtseins
in Europa und nannte die denselben zu stellenden Aufgaben
„Wahrhaft herrliche“. Er sei eifrig bestrebt, seine Pflichten als
Neutraler vertragsmäßig zu erfüllen, aber die Vorteile einer
solchen Stellung seien nicht ohne empfindliche Lasten und
Schwierigkeiten. Er warf den fremden Literaten vor, die bel-
gische Preßfreiheit gegen Preußen zu mißbrauchen; Frankreich
*) Tagebuch des Kaisers Friedrich.