Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

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zu den Arbeiten im Sinne des Ti- 
tels VII Gw. 
Soweit es den Arbeitern nicht gestattet 
wird, in A sich zu vereinigen, ist dieses 
auch nicht deren Arbeitgebern gestattet. 
Die A werden im großen und ganzen 
begutachtende und Anträge stellende Kor- 
porationen sein. Der Entwurf weist ihnen 
als Aufgaben zu, ein gedeihliches Verhält- 
nis zwischen Arbeitgebern und Arbeitern 
zu fördern. Sie sind außerdem berufen, 
die Staats- und Gemeindebehörden in 
der Förderung der gewerblichen und wirt- 
schaftlichen Interessen von Arbeitgebern 
und Arbeitern sowie der besonderen In- 
teressen der Arbeiter durch tatsächliche 
Mitteilungen und Erstattung von Gut- 
achten zu unterstützen. Auf Ansuchen der 
Behörden haben sie ferner bei Erhebun- 
gen über die gewerblichen und wirtschaft- 
lichen Verhältnisse der in ihnen vertrete- 
nen Gewerbszweige in ihrem Bezirk mit- 
zuwirken, sowie Gutachten zu erstatten. 
Es mag hier gleich gesagt werden, daß 
von der Reichstagskommission für den 
letzten Fall ein selbständiges Verhalten, 
wie dies der erste Entwurf zuließ, der 
Kammer eingeräumt worden ist. Bei den 
soeben bezeichneten Gutachten handelt es 
sich um den Erlaß von Ausnahmebestim- 
mungen von der Sonntagsruhe, um be- 
hördliche Maßnahmen zum Schutz von 
Leben, Gesundheit und Sittlichkeit der Ar- 
beiter und anderes mehr. 
Die Kammern dürfen weiterhin Wün- 
sche und Anträge, die ihre Angelegenhei- 
ten berühren, beraten und innerhalb ihres 
Wirkungskreises Anträge an Behörden, 
an Vertretungen von Kommunalbehörden 
und an die gesetzgebenden Körperschaf- 
ten der Einzelstaaten und des Reiches 
richten. Sie sind außerdem befugt, Ver- 
anstaltungen und Maßnahmen, welche die 
Hebung der wirtschaftlichen Lage und der 
allgemeinen Wohlfahrt der Arbeiter be- 
zwecken, anzuregen (also dabei nicht nur 
„mitzuwirken‘) und auf Antrag der Ver- 
treter der hierfür getroffenen Einrichtun- 
gen an deren Verwaltung tätig zu sein. 
Bei Beschlußfassungen kann die Minder- 
heit ein Sondervotum dem Vorsitzenden 
übergeben. Gleiches Recht steht den Ar- 
beitgebern und Arbeitern zu, wenn bei 
Stimmengleichheit eine Beschlußfassung 
nicht stattfinden darf. Die Aufzeichnun- 
gen sind der Aufsichtsbehörde einzusen- 
den. Die Arbeitskammern treten, soweit 
  
Arbeitskammern. 
Gutachten und Anträge in Frage kommen, 
mit den Gewerbegerichten in Konkurrenz 
(s. hier unter Gewerbegerichtsverfahren). 
Es ist ihnen aber überdies das Recht ver- 
liehen, als Einigungsamt sich zu konsti- 
tuieren, „wenn es an einem hierfür zu- 
ständigen Gewerbegerichte fehlt oder die 
beteiligten Arbeitnehmer in den Bezirken 
mehrerer Gewerbegerichte beschäftigt 
sind, oder wenn die Einigungsverhandlun- 
gen bei dem zuständigen Gewerbegerichte 
erfolglos verlaufen sind‘. Diese Bestim- 
mung wird namentlich von den maßge- 
benden Gewerbegerichten lebhaft be- 
kämpft. Man erklärt, daß hier das Prin- 
zip immer bleiben muß: „Entweder A 
oder Gewerbegericht, nicht: A und Ge- 
werbegericht.‘‘ 
Zum Schluß noch einige Worte über die 
Wahlen, über die Kosten und über die Ge- 
schäftsführung. Im Gegensatz zur ersten 
Vorlage sind die Wahlen direkt und ge- 
heim und finden nach den Grundsätzen 
der Verhältniswahl statt. Der Entwurf 
weist eine Errungenschaft der Frauen auf: 
den weiblichen Arbeitgebern und Arbei- 
tern ist das aktive und passive Wahlrecht 
zugebilligt worden. Für die Wahlen der 
Arbeitgeber kann endlich die Aufsichts- 
behörde das Stimmrecht nach Maßgabe 
der Zahl der von den einzelnen Arbeit- 
gebern beschäftigten Arbeiter verschieden 
festsetzen. Auf die Wahlvorschriften 
sind die einschlägigen Vorschriften des 
Gewerbe- und Kaufmannsgerichtsgesetzes 
von wesentlichem Einfluß gewesen. 
Was nun die aus der Errichtung und 
Tätigkeit der Kammern erwachsenden 
Kosten anlangt, so werden nach dem Ent- 
wurf dieselben für jede A denjenigen in 
ihrem Bezirk belegenen Gemeinden auf- 
erlegt, in welchen sich Betriebsstätten der 
in ihr vertretenen Gewerbszweige befin- 
den oder Arbeiter dieser Gewerbszweige 
denWohnsitz haben. Die Gemeinden dür- 
fen die Kosten durch Ortsstatut auf die 
Betriebsstätten und die Arbeiter je zur 
Hälfte verteilen. Es genüge endlich, mit- 
zuteilen, daß die Vorschriften über die 
„Geschäftsführung“ und „Beaufsichti- 
gung“ im Anschluß an die Vorschriften 
der Novelle zur Gewerbeordnung vom 
26. Juli 1897 über die Handwerkskam- 
mern aufgestellt worden sind. 
Die A sollen als selbständige Einrich- 
tungen ins Leben treten, nicht den Ge- 
werbegerichten angeschlossen werden.
	        
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