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öffentliche Sicherheit im Bundesgebiete
bedroht ist, R 68 (Kriegszustand). Maß-
gebend für Voraussetzungen, Form der
Verkündigung und Wirkungen einer
solchen Erklärung soll ein zu erlassendes
Reichsgesetz sein; bis dahin gilt, auch für
das Reich, das preußische Gesetz vom
4. Juni 1851.
Innerhalb des Deutschen Reiches be-
stehen daher zwei Möglichkeiten:
1. der Kaiser kann Teile des Bundes-
gebietes in Kriegszustand erklären;
2. der Landesherr eines Einzelstaates
kann den B verhängen. Dieses Recht der
Einzelstaaten ist ein Hoheitsrecht, dessen
Bedeutung, als außerordentliche Garantie
der Bewahrung der Ordnung, den Einzel-
staaten unbedingt verbleiben muß.
Der Beginn und das Ende des B wird
durch Trommelschlag, Bekanntmachung,
Verlesung der Aufruhrakte u. ä. kenntlich
gemacht. Während des B herrscht Mili-
tärgerichtsbarkeit. P.
Beleidigung ist widerrechtliche Kund-
gebung der Mißachtung einer fremden
Persönlichkeit, S 185.
I. Die Beleidigung kann in verschiede-
ner Weise verübt werden: wörtlich, z. B.
durch Anwendung einer Metapher aus
dem Tierreiche; — symbolisch, z. B. durch
die Aufforderung des Götz von Berlichin-
gen an die kaiserlichen Räte, — tätlich,
z. B. durch zudringliche Liebkosungen. —
Strafe: Geldstrafe bis 600 M oder Haft
oder Gefängnis bis zu 1 Jahre; bei tät-
licher Beleidigung: Geldstrafe bis 1500 M
oder Gefängnis bis zu 2 Jahren.
Die Beleidigung ist auch ohne animus
iniuriandi strafbar, wenn bereits aus der
Form eine Beleidigung zu entnehmen ist,
S 192. — Die Beleidigung ist ein Wert-
urteil; dadurch unterscheidet sie sich von
übler Nachrede und Verleumdung, welche
beide die Behauptung einer Tatsache ent-
halten.
II. Üble Nachrede begeht, wer in Be-
ziehung auf einen anderen eine Tatsache
behauptet oder verbreitet, welche den-
selben verächtlich zu machen oder in der
öffentlichen Meinung herabzuwürdigen
geeignet ist, S 186. Strafe: wie zu I, quali-
fizierend wirkt Öffentlichkeit oder Ver-
breitung im Druck u. ä. — Die Bestra-
fung tritt nur dann ein, wenn nicht diese
Tatsache erweislich wahr ist.
Il. Verleumderische B begeht, wer
wider besseres Wissen in Beziehung auf
Belagerungszustand — Beleidigung.
einen anderen eine unwahre Tatsache be-
hauptet oder verbreitet, welche denselben
verächtlich zu machen oder in der öffent-
lichen Meinung herabzuwürdigen oder
dessen Kredit zu gefährden geeignet ist,
B 187. Strafe: Gefängnis bis zu 2 Jahren.
In den Fällen zu Nr II und Ill kann auf
Verlangen des Beleidigten, wenn die Be-
leidigung nachteilige Folgen für die Ver-
mögensverhältnisse, den Erwerb oder das
Fortkommen des Beleidigten mit sich
bringt, neben der Strafe auf eine an den
Beleidigten zu erlegende Buße bis zum
Betrage von 6000 M erkannt werden, S
183. Eine erkannte Buße schließt die
Geltendmachung eines weiteren Entschä-
digungsanspruches aus.
IV. Wer das Andenken eines Verstor-
benen dadurch beschimpft, daß er wider
besseres Wissen eine unwahre Tatsache
behauptet oder verbreitet, welche den-
selben bei seinen Lebzeiten verächtlich zu
machen oder in der öffentlichen Meinung
herabzuwürdigen geeignet gewesen wäre
(diffamatio mortui), wird mit Gefängnis
bis zu 6 Monaten bestraft, S 189. Sind
mildernde Umstände vorhanden, so kann
auf Geldstrafe bis zu 900 M erkannt wer-
den. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag
der Eltern, der Kinder oder des Ehegatten
des Verstorbenen ein.
V. Ist die behauptete oder verbreitete
Tatsache eine strafbare Handlung, so ist
der Beweis der Wahrheit als erbracht an-
zusehen, wenn der Beleidigte wegen die-
ser Handlung rechtskräftig verurteilt wor-
den ist; der Beweis der Wahrheit ist da-
gegen ausgeschlossen, wenn der Belei-
digte wegen dieser Handlung vor der Be-
hauptung oder Verbreitung rechtskräftig
freigesprochen worden ist, S 190.
Tadelnde Urteile über wissenschaft-
liche, künstlerische oder gewerbliche Lei-
stungen, ingleichen Äußerungen, welche
zur Ausführung oder Verteidigung von
Rechten oder zur Wahrnehmung berech-
tigter Interessen gemacht werden, sowie
Vorhaltungen und Rügen der Vorgesetz-
ten gegen ihre Untergebenen, dienstliche
Anzeigen oder Urteile von seiten eines Be-
amten und ähnliche Fälle sind nur inso-
fern strafbar, als das Vorhandensein einer
B aus der Form der Äußerung oder aus
den Umständen, unter welchen sie ge-
schah, hervorgeht, S 193.
VI. Die Verfolgung einer B tritt nur auf
Antrag ein. Die Zurücknahme des An-