Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

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teilten Aufträge, der Pflege des guten Ein- 
vernehmens zwischen dem Absende- und 
Empfangsstaate, in regelmäßigen Be- 
richten über alles Bedeutungsvolle im 
Empfangsstaate, der Wahrnehmung der 
Privatinteressen der Angehörigen ihres 
Staates, soweit die Staatsinteressen es 
erforderlich machen, besteht; — 3. Zere- 
monialgesandte, die zum Zwecke feier- 
licher Mitteilungen in besonderen Fällen 
abgeschickt werden. 
V. Die Sprache des diplomatischen Ver- 
kehrs war bis ins 18. Jahrhundert haupt- 
sächlich Lateinisch; seit dem Aachener 
Frieden 1748 ist Französisch häufig ange- 
wendet worden; seitdem ist es üblich ge- 
blieben, wenn mehrere Staaten verschie- 
dener Zunge miteinander verhandeln. An- 
derenfalls verständigen sich die Vertreter 
der Staaten in der ihnen gemeinsamen 
Sprache. 
Die den amtlichen Publikationen der getroffenen Ver- 
einbarungen beigegebene Übersetzung hat nur den Charakter 
einer amtlichen Mitteilung, ist also bericht äAhig und 
entbindet keineswegs von der Pflicht, den Or itext zu 
prüfen und zu verwenden. 
VI. Die einzelnen Grundsätze des Ge- 
sandtschaftsrechtes. 
1. Für alle G gilt, daß der G ein Be- 
glaubigungsschreiben (Kreditiv) erhält, 
welches bei den ersten drei Klassen vom 
Oberhaupt des Absendestaates an das 
Oberhaupt des Empfangsstaates gerichtet 
wird, bei G der 4. Klasse dagegen ledig- 
lich eine zwischen den auswärtigen Äm- 
tern gewechselte Nachricht ist. Bei G ad 
hoc wird statt des Kreditivs eine Voll- 
macht erteilt. 
2. Für die Geschäftsführung des G ist 
die geheim zu haltende Instruktion maß- 
gebend; Überschreitungen der Instruktion 
verbinden den vertretenen Staat nicht. 
3. Die Korrespondenzen werden in 
einer Geheimschrift geführt; der G erhält 
zu diesem Zwecke eine Chiffre, den 
Auswärtigen Ämtern sind übrigens De- 
chiffrierabteilungen beigegeben, welche 
die Depeschen zu entziffern und zu über- 
tragen haben. 
Das Personal der G besteht aus einem 
Botschaftsrat (charge des affaires), wel- 
cher zugleich Vertreter des G ist, der er- 
forderlichen Zahl von Legationssekretä- 
ren, Attaches, Konsuln und der angemes- 
senen Zahl mittlerer (Sekretäre) und nie- 
derer (Diener) Beamten. Hierzu können 
in Ländern mit schwierigen Sprachver- 
hältnissen noch besondere Dolmetscher 
  
Gesandte. 
treten sowie (bei unsicheren Verhält- 
nissen) besondere Wachen, Stationäre etc 
(Kawassen, Kanonenboote). 
4. Vorrechte der G sind: Exterrito- 
rialität (s. d.), Unverletzlichkeit, d. h. 
Anspruch auf Schutz durch den Emp- 
fangsstaat gegenüber Verletzung durch 
dritte Personen (Notwehr gegenüber der 
unrechtmäßigen Handlung eines G ist 
zulässig), Gerichtsbarkeit und Kultusfrei- 
heit. — Eine Gerichtsbarkeit der G in 
christlichen Staaten besteht allerdings 
nicht mehr, abgesehen von einer solchen 
in bezug auf das Personal (bei Über- 
tretungen: disziplinarische Bestrafung 
durch den G, ferner hat der G bei Ver- 
brechen und Vergehen den ersten Angriff) 
und abgesehen von der freiwilligen Ge- 
richtsbarkeit; — in nichtchristlichen Staa- 
ten besteht dagegen volle Gerichtsbarkeit 
über das Personal und über alle im 
Empfangsstaate sich aufhaltenden Ange- 
hörigen des Absendestaates und über die 
Schutzgenossen ; die Wahrnehmung die- 
ser Gerichtsbarkeit wird den Konsuln 
(s. d.) anvertraut. — Kultusfreiheit besteht 
nur für G, deren Religion im Empfangs- 
staate nicht öffentlich anerkannt ist; der 
G hat das Kapellenrecht, d. h. die unbe- 
hinderte Vornahme gottesdienstlicher 
Handlungen durch einen Geistlichen in 
einem besonders dazu eingerichteten 
Raume ist gestattet; das gottesdienstliche 
Gebäude darf aber nach außen hin als 
solches nicht erkennbar sein. 
5. Eine Suspension der Gesandtschaft 
erfolgt infolge von Unzuträglichkeiten, 
oder wenn durch eine Revolution die Le- 
gitimation der Staatsgewalt zweifelhaft 
wird. Die Gesandtschaft hört auf: bei 
einem Wechsel in der Person des Staats- 
hauptes (nur für die drei ersten Klas- 
sen), — bei Abberufung des G (der G 
überreicht das Abberufungsschreiben und 
erhält ein Rekreditiv), — beim Tode des 
G, — bei einer Einstellung der diploma- 
tischen Tätigkeit infolge einer Verletzung 
des Völkerrechtes ohne Gewährung von 
Genugtuung, — bei Zustellung der Pässe 
seitens des Empfangsstaates (d. i. die 
Form der Zurücksendung des Gesandten, 
z. B. wegen Einmischung in die inneren 
politischen Angelegenheiten des Emp- 
fangsstaates, so z. B. die päpstlichen 
Nuntien in Bern 1873 und Brüssel 1879), — 
bei Ausbruch des Krieges zwischen dem 
Absende- und dem Empfangsstaate,
	        
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