Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

Handelsgesellschaft — Handelsgeschäfte. 
schaft und die Kommanditgesellschaft auf 
Aktien sind nicht juristische Personen. 
Doch ist das keineswegs unbestritten. Kohler sieht 
sie als juristische Person an. Nach Hellwig ist ya 
OHG zwar nicht eine juristische Person, aber ihr V 
mögen ist ein selbständiges Sondervermögen. 
2. Die Aktiengesellschaft, die Gesell- 
schaft mit beschränkter Haftung und die 
Genossenschaft haben juristische Persön- 
lichkeit. 
V. Eine Unterscheidung nach der 
Schuldenhaftung ist nach folgenden Ge- 
sichtspunkten zu machen. 1. Haftpflicht: 
Der. Gesellschafter haftet dem Gläubiger 
unmittelbar; Deckungspflicht: Der Ge- 
sellschafter haftet der Gesellschaft, die 
ihrerseits den Gläubiger befriedigt. — 
2. Prinzipale und subsidiäre Haftung wird 
unterschieden, je nachdem der Zugriff un- 
mittelbar oder mittelbar erfolgt. — 3. Un- 
beschränkte und beschränkte Haftung be- 
zieht sich auf die Summe, mit der einzu- 
stehen ist. — 4. Gesamtschuld und pro- 
ratarische Haftung ist zu unterscheiden, 
je nachdem der einzelne für die ganze 
Summe oder nur für seinen Teil einsteht. 
Die Entwickelung der H geht bereits auf das römische 
Recht zurück, wo das depositum irregulare als Bank- 
kommenda ausgebildet war; ähnlich fand es sich in Byzanz 
und Arabien. — Im Mittelalter fand sich die Commenda 
(von commendare, anvertrauen), d. h. man gibt einem 
Kaufmanne Geld oder Waren, damit er hiermit überseeische 
Geschäfte mache; später wird dies auch für das Binnen- 
land angewendet. ieraus ist die moderne stille Gesell- 
schaft und (im Anschlusse an das französische Recht) die 
Kommanditgesellschaft enstanden. — Die offene H ist aus 
der Familie hervorgegangen; sie findet sich bereits im 
13. Jahrhunderte im Mittelmeerhandel.e Der Familien- 
charakter erhielt sich bis ins 16. Jahrhundert. — Die Aktien- 
gesellschaft hat einen Vorläufer in den socletates publi- 
canorum oder vectigalium der Römer. Im 14. Jahrhundert 
gründen sich Italienische montes oder maonsae, d.h. Stasts- 
gläubigervereinigungen, deren Anteile loca (tuoghi) hießen, 
s. d. Im Anschlusse an die Reederei werden Gesell- 
schaften begründet, die den Charakter der modernen 
Aktiengesellschaft haben, so die Niederländisch-ostindische 
Kompanie 1602; die Englisch-ostindische Kompanie 1613; 
die randenburgische andelskompanie auf den Küsten 
von Guinea 1682; d!e Oesterreichisch-orientalische Kompanie 
in Wien 1719; die Oesterreichisch-ostindische Konıpanie in 
Ostende 1722. P. 
Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 
1897 (abgekürzt: H). Antrag Württem- 
bergs 1836 auf Schaffung eines gemein- 
samen Handelsrechtes; — wiederholter 
Antrag 1854; neuer Antrag Bayerns 1856 
beim Deutschen Bunde, eine Kommission 
hierfür einzusetzen. 
Tagung der Kommission in Nürnberg 
1857 ff; für Seerecht in Hamburg. 
Allgemeines deutsches H vom Bunde 
durch Beschluß vom 8. Mai 1861 den Ein- 
zelstaaten zur Einführung mitgeteilt. 
Norddeutsches Bundesgesetz vom 
5. Juni 1869 macht es zum Bundesgesetze, 
Einf-B 2 zum Reichsgesetze. S. auch Bür- 
gerliches Recht. 
Handelsgeschäfte sind alle Rechts- 
  
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geschäfte, welche ein Kaufmann im Be- 
triebe seines Handelsgewerbes abschließt. 
Nicht alle Geschäfte eines Kaufmanns sind 
also H(andels)g(eschäfte), sie müssen zu 
seinem Gewerbebetrieb gehören, daher 
ist z. B. die Anschaffung von Nahrungs- 
mitteln, Genußmitteln, Gebrauchsgegen- 
ständen für die Haushaltung, von Beklei- 
dungsstücken zum Gebrauch, von allen 
für die Befriedigung persönlicher Bedürf- 
nisse bestimmten Sachen, die Einlagerung 
von Möbeln während eines Umzugs oder 
einer Reise usw kein Hg. Gewöhnlich 
wird sich aus der Art und dem Gegen- 
stand des Geschäfts in zweifelsfreier 
Weise ergeben, ob das Geschäft zum Oe- 
werbebetrieb gehört oder auch nur ge- 
hören kann oder nicht; oder es wird durch 
die Erklärung des Kaufmanns, z. B. daß 
er die gekaufte Sache als Geschenk ver- 
wenden, das gekaufte Pferd zum Spa- 
zierenreiten gebrauchen will, festgestellt 
werden, daß das Geschäft nicht zu seinem 
Gewerbebetrieb gehört. Es kann aber 
auch das Geschäft von der Art sein, daß 
es zweifelhaft ist, ob es zum Gewerbe- 
betrieb gehört oder nicht. Das H stellt 
nun zwei Präsumtionen, eine einfache und 
eine qualifizierte, im $ 344 auf. Die ein- 
fache geht dahin, daß die von einem Kauf- 
manne vorgenommenen Rechtsgeschäfte 
im Zweifel als zum Betriebe seines Han- 
delsgewerbes gehörig gelten. Hierdurch 
wird zunächst die Beweislast bestimmt; 
derjenige der Kontrahenten, welcher be- 
hauptet, daß das Geschäft kein Hg ist, 
weil es nicht im Gewerbebetriebe des Ge- 
genkontrahenten abgeschlossen worden 
ist, muß dies beweisen. Die Tragweite 
der Präsumtion geht aber weiter und führt 
zu einem materiellen Rechtssatz. Der Ge- 
genkontrahent des Kaufmanns ist berech- 
tigt, zu verlangen, daß das Geschäft ihm 
gegenüber als Hg behandelt, insbeson- 
dere nach Handelsrecht erfüllt wird, wenn 
ihm nicht erkennbar gemacht worden ist, 
daß es nicht zum Gewerbebetrieb des 
Kaufmanns gehört. Die qualifizierte Prä- 
sumtion bezieht sich auf die von einem 
Kaufmann gezeichneten Schuldscheine; 
sie gelten schlechthin — nicht bloß im 
Zweifel — als im Betriebe seines Handels- 
gewerbes gezeichnet, sofern nicht aus der 
Urkunde sich das Gegenteil ergibt. Es ist 
also nicht nur kein Gegenbeweis zulässig, 
sondern selbst das positive Wissen des 
Gläubigers, daß der Schuldschein nicht im
	        
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