Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

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stimmten Artikels vor Hauptwörtern, be- 
sonders bei Bezeichnung der Parteirollen 
im Zivilprozesse (Kläger, Beklagter);; Be- 
vorzugen der passiven Satzbildung und 
hierbei Ersetzen des „von“ durch „seiten“ 
oder gar „seitens‘‘ oder durch Anhängen 
von „seits“ an das dem Sinne nach re- 
gierende Hauptwort (klägerischerseits 
wird der Antrag gestellt); Benutzung 
falsch gebildeter Partizipien (innehabende 
Wohnung, stattgehabte Versammlung) 
und falsch gebildeter Eigenschaftswörter 
(beklagtisch); einerseits schleppende 
Weitschweifigkeit und Gespreiztheit, in- 
dem z. B. das gehaltvolle Zeitwort (an- 
bieten) durch das entsprechende Haupt- 
wort und ein gehaltloses Zeitwort (ein 
Angebot machen) ersetzt wird, anderer- 
seits schwülstige Kürze durch das Bilden 
von Hauptwörtern auf „ung‘‘ (Zurdisposi- 
tionsstellung) statt Benutzens der Zeit- 
wörter oder kurzer Zwischensätze; Inein- 
anderschachteln mehrerer Haupt- und 
Nebensätze. Zu erwähnen sind endlich 
noch vielfache Verstöße gegen Gramma- 
tik und Syntax, gegen die Regeln von der 
Satzbildung und Satzstellung, gegen die 
Lehre von den Zeitformen und dem Kon- 
junktiv. 
Diese sprachlichen Fehler und Unarten 
kommen nun freilich vielfach auch in an- 
deren Lebenskreisen vor. Der Kampf 
gegen das JD ist daher zugleich ein 
Kampf gegen die allgemeine Sprachver- 
wilderung, die teils der Bequemlichkeit, 
teils der Eitelkeit entspringt und einen 
großen Mangel an Sprachgefühl und im 
letzten Grunde an Nationalstolz er- 
kennen läßt. Der Kampf ist schon vor 
langer Zeit begonnen worden, auch von 
amtlicher Seite, wie die Allg. Gerichtsord- 
nung für die preuß. Staaten vom Jahre 
1793 Teil II Tit. 2 851 beweist. Die ersten 
Rufer im Streite in neuerer Zeit haben im 
heiligen Zorne über das Ziel hinausge- 
schossen, indem sie zu wenig Rücksicht 
auf den bestehenden und durch das Alter 
gewissermaßen geheiligten Sprachge- 
brauch genommen haben. Erst das maß- 
volle und doch folgerichtige und beharr- 
liche Vorgehen des Allg. Deutschen 
Sprachvereins hat hier Wandel geschafft 
durch Entfesselung einer nicht mehr zu 
unterdrückenden Bewegung und durch 
Schärfung des Sprachgefühls (Dr. Dunger) 
und des Sprachgewissens. Von den 
Verdeutschungsbüchern dieses Vereins 
  
Juristensprache — Juristische Personen. 
kommt in bezug auf das JD hauptsäch- 
lich das von LGR. Bruns ve,faßte fünfte 
„Die Amtssprache‘ in Betracht. 
Man kann wohl auch den Juristen zu- 
rufen: „Wie der gebildete Deutsche, der 
auf Reinheit seiner Muttersprache hält, 
seine Gedanken über ernste Dinge münd- 
lich ausdrückt, so soll er auch schreiben. 
Auch das geschriebene Wort bedarf, um 
zu wirken, keines flitterhaften Sonntags- 
staats.‘‘ 
Stichwort: Kanzlcisprache. 
D. L. Glinther Recht und Sprache, Berlin 1898, sehr 
gründlich und erschöpfend mit Literaturnachweisen. — Herm. 
Daubenapeck Die Sprache 1.d. gericht. Entscheidungen, 
Berlin 1893. — W. Geusel Unsere Juristensprache i. SArch. 
f. bürgerl. R. u. Proz. VI 145 ff. — Otto Schröder Vom 
paplernen Stil, Berlin 1906, 6. Aufl. — D. Wustmann 
Allerhand Sprachdummbeiten, Leipzig 1908, 4. Aufl, Einleitung 
und an vielen anderen Stellen. üttner. 
Juristentag, Deutscher s. von Hol- 
tzendorff. 
Juristische Interpretation s. Aus- 
legung. 
Juristische Personen sind Gesamt- 
heiten von Personen oder Sachen, die die 
Eigenschaft besitzen, als Rechtssubjekt 
aufzutreten und Rechtshandlungen vorzu- 
nehmen. Sie bilden den Gegensatz zu 
den „natürlichen Personen‘, den 'Men- 
schen. Nur der Mensch ist von der Natur 
mit einem einheitlichen Geiste, Bewußt- 
sein und Willen begabt; der j(uristischen) 
P(erson) hingegen fehlt alles dies, ihr 
fehlt weiter auch die sichtbare körper- 
liche Erscheinung. Gleich sind sich die 
beiden Gebilde nur darin, daß jedes ein 
Rechtssubjekt ist, also Träger der Rechts- 
fähigkeit. Lediglich der Ausdruck ,„jP“ 
und „natürliche Personen“ hat zu der feh- 
lerhaften, immer noch fortdauernden Auf- 
fassung geführt, daß es sich bei den jP 
um eine bloße Fiktion handle — als ob 
ein bloß fiktives, in Wahrheit nicht be- 
stehendes Gebilde Träger von Rechten 
sein körmte! Das Rätsel löst sich von 
selbst, wenn man unter Person nichts an- 
deres versteht als Rechtssubjekt; dann 
treten neben den Menschen zwanglos die 
rechtsfähigen Gesamtheiten als gleich- 
artige Träger von Rechten. Wünschens- 
wert wäre es gewesen, wenn das B die 
Bezeichnungen „natürliche“ und ,‚jP‘ 
durch bessere Ausdrücke ersetzt hätte; 
denn da die Anerkennung der Rechts- 
fähigkeit immer vom Recht abhängt, so 
kommt die Eigenschaft als juristisch im 
letzten Grunde beiden Arten von Perso- 
nen zu, und es wäre dann auch dem alten 
Mißverständnis wirksam begegnet.
	        
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