Tumulte in Frankfurt a. M. 57
„Altpreußentum“ und den Vertretern desselben, den sogenannten „Junkern“.
Unter dem Einfluß dieser preußenfeindlichen Strömung hatte das Frankfurter
Parlament, auf dessen Autorität bei Abschluß der Waffenruhe nicht die ge-
ringste Rücksicht genommen worden war, am 5. September auf den Antrag
des bewährten Patrioten Dahlmann mit einer allerdings nur geringen Mehr-
heit den Beschluß gefaßt, den Waffenstillstand als ungültig anzusehen und die
Feindseligkeiten fortzusetzen. Das bisherige Reichsministerium trat infolge
dieses Beschlusses zurück; mit der Bildung einer neuen Regierung wurde
Dahlmann beauftragt, der sich jedoch vergebens bemühte, eine solche zustande-
zubringen. Die früheren Minister blieben daher vorläufig im Amte, und die
Nationalversammlung sah sich genötigt, ihren Beschluß betreffs des Waffen-
stillstandes dahin zu ändern, „daß die Vollziehung desselben nicht zu hindern,
aber die Reichsregierung aufzufordern sei, auf eine Anderung des Vertrages
hinzuwirken.“" Das geschah am 16. September. Die Partei der Mißvergnügten
innerhalb und außerhalb des Parlaments ließ jetzt ihrem Unmute freien Lauf.
Sie erregte in Frankfurt selbst einen Aufstand und rief auch in der weiteren
Umgebung das Volk zu den Waffen. Uberall, auf den Straßen und in den
Wirtshäusern, ward heftig hin und her gestritten. Zuletzt erhitzte man sich zum
Außersten: in einer großen Volksversammlung wurde Sprengung der National-
versammlung, Ausrufung der Republik und Einsetzung einer Revolutions-
regierung verabredet. Das Reichsministerium, von der drohenden Gefahr
unterrichtet, berief am 18. September einige Bataillone Preußen und Oster-
reicher von Mainz, sowie hessische Truppen aus Darmstadt nach Frankfurt:
diese schützten den Eingang zur Paulskirche und verjagten den Pöbel von den
in den Straßen errichteten Barrikaden.
Ermordung des Generals von Auerswald und des Fürsten Cichnowsky.
Eine Rotte Barrikadenhelden, vielleicht kurz vorher erst vor den aurückenden
Truppen davongelaufen, ließ nun ihre Wut an zwei preußischen Abgeordneten
zur Nationalversammlung, dem General von Auerswald und dem Fürsten
Lichnowsky, aus, welche überfallen und unter den schändlichsten Mißhand-
lungen niedergemetzelt wurden. Alle besonnenen Leute sagten sich daraufhin
von der äußersten Partei, den sogenannten „Radikalen“, los. Weitere Auf-
stände und blutige Tumulte brachen an verschiedenen Orten aus, so auch in
der österreichischen Hauptstadt, wo das Einschreiten des Militärs als einzige
Rettung erschien. Wir kommen darauf später noch zurück; hier sei nur erzählt,
daß vom Frankfurter Parlament zwei der angesehensten und beliebtesten Ab-
geordneten, der redefertige Robert Blum und der vielthätige Julius Fröbel,
nach Wien abgesendet wurden, um dort eine Vermittelung zu versuchen.
Die Erschießung Nobert Clums. Die Auflösung der bürgerlichen Ordnung
hatte aber in der österreichischen Hauptstadt schon in einem Grade um sich ge-
griffen, daß die beiden Sendboten nichts ausrichten konnten. Es blieb ihnen
nur die Wahl übrig, umzukehren — wenn der kaiserliche Generalissimus,
welcher Wien mit seinen Truppen umstellt hielt, sie überhaupt ziehen ließ —
oder an der Spitze der aufständischen Volksmenge ihr Heil zu versuchen. Zu