58 Bürgerliche Wirren in Deutschland.
vermitteln gab es nichts mehr. Der kaiserliche Oberbefehlshaber Fürst Win-
dischgrätz verlangte Unterwerfung der Hauptstadt und hielt an dem Auftrage
fest, die Ordnung um jeden Preis herzustellen. Robert Blum trat nun als
Hauptmann an die Spitze einer Abteilung der Nationalgarde Wiens. Als
solchem ward ihm nach dem Siege der kaiserlichen Truppen, und nachdem
Wien gestürmt worden war, vor dem Kriegsgericht der Prozeß gemacht und
dabei auf seine Eigenschaft als Abgeordneter der Nationalversammlung zu
Frankfurt nicht die geringste Rücksicht genommen. Er fiel als eines der am
meisten beklagten Opfer jener „tollen“ Zeit. Ganz Deutschland erschreckte dieser
Fall, der anderseits aber auch zeigte, daß die Regierung sich wieder ermannt
hatte. Am höchsten gingen natürlicherweise die Wogen der Erregung in Frank-
furt a. M.
In der unpraktischen Art und Weise, wie man den Wiederaufban des
neuen Reiches begonnen oder vielmehr versucht hatte, sowie in der langsamen
Durchberatung und Einkleidung einer grundlegenden Verfassung zeigten sich so
recht die verhängnisvollen Nachwehen der langjährigen Niederhaltung des öffent-
lichen Geistes; stets waren ja die Staatsbürger behindert worden, ihre ur-
eigensten Interessen selbst wahrzunehmen und zu fördern.
Die Stellung des Reichsverwesers, dessen Parteilosigkeit, weil er ein
österreichischer Prinz war, vielfach angefochten ward, hatte sich unter den ge-
schilderten mißlichen Umständen nicht bessern können; sie erschien im Gegenteil
noch viel ohnmächtiger als die der letzten deutschen Kaiser. Kein Wunder!
Erzherzog Johann standen ja solche Kräfte und Mittel, die einem Regenten
wirklichen Rückhalt geben, nicht zu Gebote, er vermochte die Beschlüsse des
Frankfurter Parlaments schlechterdings nur dann durchzuführen, wenn die
Einzelstaaten und ihre Regierungen für ihren Teil damit einverstanden waren.
Zwar hatte der Reichskriegsminister an sämtliche Bundestruppen den Befehl
erlassen, dem Reichsverweser schon am 6. August durch Paraden und Hochrufe
zu huldigen; aber fast nirgends außer in einigen Kleinstaaten war man dieser
Weisung nachgekommen. Die wirkliche Macht, der Heeresbefehl über die Truppen
aller größeren Staaten, war ausschließlich in der Hand ihrer Souveräne ver-
blieben.
Das Jahr ging zu Ende. Kostbare Zeit hatte das Parlament mit Fest-
stellung der „deutschen Grundrechte,“ die ohne Reichsverfassung sozusagen in der
Luft schwebten, vergeudet. Vieles von dem Erträumten oder bereits Errungenen
war durch Versäumung des rechten Augenblicks oder durch Überstürzung und
Thorheit wieder verloren oder in Frage gestellt worden. Die Reichsversamm-
lung hatte endlich nach großem Rede= und Müheaufwand Ende 1848 die
Feststellung der deutschen Grundrechte fertig gebracht. Osterreich, Preußen,
Bayern, Hannover und Sachsen lehnten aber deren Annahme ab. — Eine
neue Frage tauchte jetzt auf, welche die bisherige Mehrheit in der Reichsver-
sammlung in die sogenannte „großdeutsche Partei“, die nicht von Österreich
lasseen wollte, und in die „kleindeutsche Partei“ spaltete, welche letztere alles
Heil von Preußen erwartete. Osterreich hatte die ungetrennte Einheit aller