Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

522 Neuntes Buch. Drittes Capitel. 
Diesmal aber waren die Oesterreicher nicht gemeint, den Angriff 
zu erwarten. An dem Verfahren Neippergs hatten Hof und Armee 
nach der Schlacht von Mollwitz nichts so sehr getadelt, als sein 
Manövriren, Zögern, seine Scheu, zum Angriff zu schreiten. Als 
Herzog Carl an Stelle seines Bruders den Oberbefehl übernahm, 
hatte er vor allen diesen Zauderer entfernt, und auf keine Weise 
durfte er ihn nun nachahmen. So war auch der ihm zur Seite ge- 
gebene Marschall Königsegg gesonnen; es war ihr Auftrag vom 
Hofe aus. 
Sie faßten den Plan, noch in der Nacht aufzubrechen, um die 
Preußen, von denen man vermuthete, daß sie, auf ihrem Marsch er- 
müdet, in den Dörfern um Kuttenberg Quartier genommen, mit dem 
frühesten Morgen daselbst zu überraschen 1). Sie wollten dem König 
von Preußen gleichsam vergelten, was diesem gegen Neipperg ge- 
lungen war. 
Ob in der Armee die volle Freudigkeit waltete, die zu einem 
Unternehmen dieser Art gehörte, möchte man bezweifeln, wenn man 
sieht, daß Prinz Carl es für nothwendig hielt, im Namen der Kö- 
nigin nicht allein, sondern unter der Garantie der Generale zu ver- 
sprechen, daß künftig bei der Beförderung alle mögliche Gerechtigkeit 
beobachtet und namentlich Niemand wegen der Religion übergangen 
werden sollte. Das Prinzip des Waffendienstes war noch nicht allein 
herrschend in dieser Armee. 
Am 16. Mai zwischen 8 und 9 Uhr des Abends setzten sich die 
Oesterreicher von Ronow aus in zwei Colonnen, denen die Reserve 
als eine dritte zur Seite blieb, gegen Czaslau in Bewegung. Das 
schwere Geschütz und Gepäck ward zurückgelassen; alles, was nicht 
Soldat war, mußte im Lager bleiben; keine Marketenderin sollte es 
verlassen, bei Lebensstrafe. Kein Trompetenstoß sollte erschallen, lauter 
Zuruf war verboten. 
Es gelang vollkommen, den nächtlichen Marsch den Preußen zu 
verbergen, nur dauerte derselbe, denn die Hohlwege und die tiefen 
Gründe, die ihn deckten, hielten ihn auch wieder auf, bei weitem 
länger als man dachte; es ward 4 Uhr, ebe die Armee bei Czaslau 
1) Man ward noch in der Nacht versichert, als ob der Feind noch wirk- 
lich zu Kuttenberg und denen dortig herumliegenden Dörfern cantonniren thäte, 
folglich hin und wieder zerstreut wäre. (Oesterreichischer Schlachtbericht, dessen 
Uebertreibungen jedoch, z. B. die preußische Cavallerie sei bis Kuttenberg zurück- 
getrieben worden, schon damals Eichel hervorhob.)
	        
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