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Der ganze zweite Band nimmt sich aus, wie Denkwürdigkeiten von Oren-
stierna und hat insofern eine gewisse Aehnlichkeit mit den Denkwürdigkeiten
des Cardinals Richelieu. Authentische Gutachten und Relationen bilden die
Grundlage beider Werke; bei beiden haben auch die Staatsmänner ihre Hand
gehabt. Bei der letzten Redaction aber hat Richelien ohne Zweifel persönlich
mehr eingegriffen als Oxenstierna. Aber das schwedisch-deutsche Werk hat den
Vorzug vor dem französischen, daß dieses auch eine Menge von zweifelhaften
Dingen mittheilt, wie sie der Compilator eben zusammenraffte; während das
erste sich auf dem Grunde des Acchten und wahrhaft Authentischen bewegt.
Mir ist auffallend, wie vortrefflich deutsch nach dem Charakter der Zeit
Chemnitz zu schreiben verstanden hat. Fast das beste Deutsch dieses Jahrhun-
derts ist in der Fremde geschrieben: von Chemnitz in Schweden, von Elisabeth
Charlotte in Frankreich. Wie weit steht Khevenhiller gegen Chemnitz zurück!
Bei diesem ist die Einflechtung fremder Ausdrücke noch sehr erträglich, bei
jenem aber steigert sie sich bis in das Unleidliche und Unverständliche.
Man wird nicht anders erwarten, als daß der von dem Reichskanzler
und von den Ständen beauftragte Historiker für Schweden Partei nimmt.
In ihm kommt der religiöse Eifer des deutschen Protestanten in Verbindung
mit der schwedischen Politik zum Ausdruck; aber seine Erzählungen haben
immer vielen Werth, da sie aus authentischen Papieren stammen. Sie tragen
das originale Gepräge der Zeitumstände, unter welchen die Documente ge-
schrieben sind.
Pufendorf bildet einen eigenthümlichen Gegensatz zu Chemnitz, mit dem
er doch Vieles gemein hat; in beiden lebte der Impuls des Protestantismus
gegen das Haus Oesterreich. Beide faßten die Idee des deutschen Reiches
unter einem demselben entgegengesetzten Standpunkt. Dem Hippolithus a
Lapide folgte nach einigen Jahrzehnten Mzambano de statu Imperü Ger-
manici in verwandtem Sinne, eine Schrift, die von Pufendorf stammt. Pu-
fendorf gehört zu den bedeutenden Männern, die in der zweiten Hälfte des
siebzehnten Jahrhunderts die Gesetze und Grundlagen, auf denen der Staat
und die menschliche Gesellschaft beruhen, zu entdecken und festzustellen strebten.
Das Schwert hat er nicht geführt. Ueberhaupt waren die Zeiten verändert;
die Gesichtspunkte waren universaler geworden. König Karl XI von Schwe-
den hatte eine friedlichere Stellung genommen als seine Vorfahren; ihm lag
soviel nicht daran, daß jeder Moment der in Deutschland geführten Kriege er-
örtert und ans Licht gezogen würde; er wünschte nur die allgemeine Stellung,
welche Schweden in dem europäischen System und in Deutschland einnahm,
gerechtfertigt und die Verdienste hervorgehoben zu sehen, welche sich Schwe-
den um die deutsche Religionsfreiheit erworben habe. Mit diesem Werke,
welches den Krieg, den man geführt, und den Frieden, den man geschlossen,
umassen sollte, beauftragte er Samuel Pusendorf, damals Professor in Lund,
den er bei dem Conflict, in welchen derselbe wegen seiner Doctrinen an der
Universität gerathen war, in Schutz genommen hatte. Auch ihm wurden
die Archive eröffnet. Ummöglich aber konnte er sich nachmals in das ganze
Detail der Untersuchungen werfeu, welche Chemnitz gemacht hatte; er bediente
sich vielmehr der Zusammenstellungen desselben als der Grundlage seiner Ar-
beit. Denn was von Chemnitz bekannt grworden, trug doch immer einen