Chemnitz und Pufendorf. 603
Orenstierna die Sache gemißbilligt habe, wird hier nicht wiederholt. Pufen-
dorf benutzt da brandenburgische Papiere; doch ist er bis zu denen, welche von
der eigentlichen Unterhandlung Meldung thaten, nicht vorgedrungen. Diese
sind erst in den Actenstücken und Urkunden zur Geschichte des großen Kur-
fürsten durch Erdmannsdörffer ans Licht gezogen worden. Aus dem darin
mitgetheilten Tagebuch von Leuchtmar sicht man, daß es mit der Aufrage sehr
ernstlich gemeint war. Die Sache lag in den Ideen des Kurfürsten, aber die
junge Königin konnte dafür nicht gewonnen werden; sie zählte erst sechszehn
Jahre; aber ihre Sinnesweise war dieselbe, die sie auch späterhin immer fest-
gehalten hat: wer sein eigen sein könne, dürfe sich keinem anderen ergeben.
Bemerken wir noch, daß auch Chemnitz, der seine Informationen von dem
Reichskanzler empfing, von dem Zwecke der Gesandtschaft, den man freilich
vermuthete, doch leine eigentliche Information erhalten hatte. Sehr erwünscht
sind dann immer nene Durchforschungen der Archive, wie sie uns an dieser
Stelle zu Theil geworden sind. Sie bringen Umstände an den Tag, die auch
den wohlunterrichteten und urkundlichen Geschichtschreibern verborgen geblieben
waren, deren Werth, insofern sie nur im Allgemeinen die aus den Acten her-
vorgehenden Thatsachen im Zusammenhange mittheilen, dadurch nicht ge-
schmälert wird. In der Regel von Chemnitz abhängig, hat Pufendorf doch
wieder einige Abschnitte, in denen er Chemnitz übertrifft. Pufendorf hatte
eigentlich die Arbeit über Carl Gustav bereits begonnen, ehe er die com-
mentarii de rebus Snuecicis unternahm. Der Gegenstand der letzteren war
voch der größere, ehrenvollere für Schweden; und, wie schon berührt, Carl XI
legte auch darauf großen Werth. Pufendorf eilte, damit zu Stande zu kommen
noch bei seinen Lebzeiten, damit seine Arbeit nicht etwa von einem späteren
Herausgeber stiefmütterlich behandelt würde. Die umfassenderen Gesichts-
punkte, die sich in der folgenden Periode entwickeln, lassen sich bei ihm schon
in der Erzählung des Dreißigjährigen Krieges uneerscheiden. In dem Archiv
logen ihm auch die Actenstücke vor, die sich auf die dänischen und die pol-
nischen Verhältnisse bezogen, deren Inhalt er hinzufügte. Hie und da berührt
sich dieser Rest mit dem von Chemnitz mitgetheilten, z. B. bei dem Anfang
des dänischen Kiieges Üüber die von Griesheim gemachten Eröffnungen, die
für die Gesichtspunkte der beiden Nachbarmächte in der That von großer Be-
deutung sind. Aber gleich hier erhebt sich auenda durch Anfassung und
Inhalt seiner Darstellungen bei weitem über Chemn
Chemnitz ist originaler, unterrichtender, und nn man ihm nur folgt,
anziehender, ganz aus der Gesinnung erwachsen, welche die erste Hälfte des
17. Jahrhunderts erfüllte. An Pufendorf könnte man studiren, wie sich Auf-
faslung und Darstellung der zweiten Hälfte des 17. Johrhunderts von der der
ersten unterscheiden. Er hat das große europäische Publikum, welches damals
noch lateinisch las, im Auge. Er ist kürzer, gedräugter, aber darum nicht an-
ziehender. Er besitzt ein ungewöhnliches Talent für das Excerpt. Besonders
in den späteren Theilen werden seine Gesichtspunkte allgemeiner, mit der
besseren Information wächst auch das Interesse seines Buches. Bei allen
Mängeln verdient es doch einen ehrenvollen Platz unter den großen historischen
Publicationen des 17. Jahrhunderts, und man begreift, daß Pufendorf den