Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 29. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. (29)

164 Elftes Buch. Biertes Capitel. 
den Geworfenen zu Hülfe kommen, aber die Generalsalve, die sie den 
ansprengenden Preußen gaben, hatte auf diese keine Wirkung, und 
vor der blanken Waffe wichen sie selber zurück. So übel zugerichtet die 
Regimenter Hacke und Bevern waren, so setzten sie sich jetzt doch noch- 
mals herzhaft in Bewegung, um den Verlust, den sie erlitten, an den 
Oesterreichern zu rächen; sie hatten weder Kugeln noch Patronen mehr: 
vor ihrem gefällten Bajonnet aber wichen die letzten Reste der feind- 
lichen Schlachtreihe zurück. Gegen 8 Uhr des Morgens waren die 
Preußen allenthalben Meister des Schlachtfeldes. Um nicht den Rück- 
zug in eine Flucht ausarten zu lassen, besetzte der Herzog von Loth- 
ringen, der sich hiebei persönlich nicht schonte und beinahe gefangen 
worden wäre, die Höhen von Hohenfriedberg:; es entspann sich eine 
Kanonade, die bis nach Mittag dauerte, um welche Zeit Alles sich 
nach den Gebirgen hinauszog 1). Der König hatte Erfrischungen zur 
Stelle bringen lassen, die den Ermüdeten ausgetheilt wurden. Die 
Verwundeten auf dem Schlachtfelde befahl er ohne Unterschied mit 
Getränk zu laben. An die Regimenter, die sich, man kann nicht 
sagen am tapfersten gezeigt, denn alle hatten gewetteifert, aber die 
größten Verluste erlitten, ritt er selber heran und sprach ihnen seinen 
Dank aus. 
Eine sehr eifrige Verfolgung war auch deshalb nicht möglich, 
weil der nächtliche Marsch und die blutige Anstrengung des Morgens 
die Kräfte bereits erschöpft hatte; Alles fühlte sich zufrieden, daß 
dem stolzen, seines Sieges im voraus sichern Feinde eine unzweifel- 
hafte Niederlage beigebracht und Schlesien gegen ihn behauptet war. 
Das ganze Land empfand es, daß dies eine Entscheidung auf 
immer sei. Noch cinmal hatte sich in der großen Krisis der Zwie- 
spalt zwischen den beiden Religionsparteien geregt. Die Katholischen 
wußten viel von einem Crucifix zu sagen, welches sich plötzlich um- 
gewandt habe, der ankommenden österreichischen Armee entgegen; die 
Evangelischen hingegen sahen in einem Regenbogen, der gerade an 
ihrem Bußtage, im Mai, sich wohlfarbig und mit seinem Gegenschein 
am Himmel ausspannte und mit beiden Spitzen die Erde berührte, 
ein Zeichen der göttlichen Gnade. So weit man den Kanonendonner 
1) Aus den österreichischen Archiven ist, wic man bei Arneth, Maria 
Theresia III, S. 74 fg. sieht, nichts wesentlich Neues zu entnehmen. Man 
war über den Ausgang der Schlacht so betroffen, daß der Vorschlag gemacht 
wurde, eine Commission zur Untersuchung der Ursachen des Verlustes nieder- 
zusetzen. Die Meisten gaben dem Prinzen Carl die Schuld. Dieser selbst der 
Untüchtigkeit und Trägheit der Truppen.
	        
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