Full text: Ratgeber für deutsche Lehrer und Erzieher

Fortbildbungsfhule und Staatskunde. 135 
tößt, ift nichtig. Nichtig ift insbefondere ein NRechtsgejchäft, durch) das jemand 
die Notlage, den Leichtfinn oder die Unerfahrenheit eines andern ausbeutet 
und fid) ungerechtfertigt bereichert oder Vermögensporteile verichafft, welche 
in auffälligem Mißverhältniffe zu der LXeiftung jtehen. DBejchmabt ein ge- 
tiebener Kunde einen jungen Burschen, daß der ihm einen mertlojen Rod für 
30 Mark ablauft, fo ift das ein Nechtsgefchäft, Da gegen die guten G©itten 
verftößt. Es würde vom Gerichte für nichtig erflärt werden. 
Die Willenzerflärungen find im Gefchäftzleben höct wichtig. Gehe id) 
zum Slaufmann, um mir etwas zu faufen, fo haben ich und der Kaufmann 
Willenserflärungen abzugeben. Sch muß erklären: ich will ein Pfund guten 
Reis für 25 Pf, der Kaufmann Hat zu erflären, bier gebe ich Ihnen ein 
fund jolden Reis fir 25 Pf Will ich mir einen Unzug anmefjen laffen, 
fo haben ic) und der Schneider Willenserflärungen abzugeben. Welhe? Will 
ich in einen Dienjt oder eine Arbeitäftelle treten, fo find wieder mindeiteng zwei 
Willenserflärungen nötig. Melche nämlih? Mietet fich euer Vater eine 
Wohnung, fo haben Yausmwirt und Mieter Willenserfläungen abzugeben. 
Welche? Nehme ich eine Erbichaft an, fo gebe ich ebenfalls eine Willens- 
erklärung ab. Welde? Berfpredhe ich für meinen verlornen Ring einen Finder- 
Iohn, fo gebe ich eine Willenserklärung ab. Berfauft dein Vater ein Stüd 
Teld, fo geben er und der Verkäufer je eine Willenserklärung ab. Welche? 
Leiht dein Vater auf das Feld ee Shpothek, fo find wieder zwer Willens. 
erHlärungen nötig. Welche? hr feht: überall gibt e& inı menfchlichen LXeben 
Willenserflärungen. 
Soll nun Streit und Sant vermieden werden, jo muß man e3 mit den 
Willenserflärungen recht genau nehmen. Man muß feinen Willen recht deut« 
ih und bejiimmt erklären. Will ich nur ein Viertelpfund frifche Keberwurft, 
To it Die Sadje einfadh. ch gehe zum Mebaer und verlange ein Viertelpfund 
friihe Tebermurft. Hat er feine, fo fagt er: fie ift ausgegangen, aber geräucherte 
Leberwurft und frifhe Blutwurft ift da. Nun muß id} meinen Willen er- 
Hären. Sch Fanrı das Angebot annehmen oder ablehnen. Go einfad) ift die 
Sade aber nicht immer. ch will einen neuen Anzug; der foll erft gemadit 
werben; ich will für meine Tochter eine Ausftattung; die foll der Tifchler 
erit anfertigen; ich mill ein neues Haus; das foll erft gebaut werden; ich 
mill ein Bauerngut faufen, wie es fteht und liegt; ich mill ein fehlerfreies 
Pferd faufen ufm. Da feht ihr: E3 fommen im Leben fo viele verfchiedene 
Sälle vor; e3 ijt ganz unmöglich, fie alle über einen Kamm zu fcheren. Das 
hat der Gefeßgeber auch erfannt. Darum hat er für die verfchiedenen Haupts 
arten der Willenserflärungen befondere &efete gemacht, befondere Beftim- 
mungen aufgeitellt, fo über Miete und Bacdt, über Kaufund 
Zaufjc, über den Werfvertrag, über den Dienftvertrag, liber 
das Teitament ufm. 
Dennod gibt e aud) einiges, was allen Willenserflärungen gemeinfam 
it. Ein Vater fan ganz für fich allein feinen Willen erflären, mie e8 mit 
feinem Begräbnis und feinem Vermögen gehalten werden foll. Wa3 er nun 
für das Begräbnis anordnet, das gilt, auch wenn er e3 bloß fagt, der Mutter 
oder den Kindern aufträgt. Was er aber über die Erbteilung anoronen 
will, das gilt nicht, aud) wenn er e3 vor allen Kindern und der Mutter 
laut fagtee Wenn er aber bloß beftimmte, meine Uhr foll der ältefte 
Sohn erhalten, dann gälte das, wenn er e3 in Gegenmart eine Zeugen 
erflättee Wir fehen: viele Willenserflärungen find gültig, wenn fie
	        
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