Full text: Ratgeber für deutsche Lehrer und Erzieher

140 Zehrproben. 
Da weiß nun jeder Gefchäftsmann: Du mußt vor Weihnachten nachfehen, ob 
nody offene Poften aus dem vorigen Sahre vorhanden find. Warteft du 
bi3 nad) dem neuen Jahre, dann verjähren deine Anfprüdhe; dann fann jeder 
die Bezahlung verweigern. eder Haushaltungsvorjtand weiß: du mußt 
deine quittierten Rechnungen mindeitens zwei Sahre aufheben; fonjt fannit 
du nod) einmal eine bereits bezahlte Rechnung bezahlen mitffen. Er weiß aud 
Neujahr 1911, daß er niemandem mehr etwas fhuldig ift aus den Kahren 
1908, 1907 und früher. Gäbe es diefe Verjährung nicht, dann fünnte e3 
borfommen, daß auf einmal eine große Menge von Rechnungen aus längft 
verflojfenen Sahren fich einftellte. Wir müffen dod aud an große Haushalte 
denken, wo es alljährlich Taufende von Nechnungen zu begleichen gibt. 
Wir merfen uns: Der Gefebgeber will Ordnung und Negelmäßigfeit in 
das Sefchäftsleben bringen; er will die Aufredhterhaltung und Durdhführung 
der Ordnung und NRegelmäßigkeit unterftügen. Daher hat er die Verjährung 
eingeführt. Durch die Verjährung verliert der Gläubiger gemwiffe Rechte und 
Ansprüche. Der Schuldner Hingegen gewinnt da3 NRedt, die Zahlung zu 
bermeigern. Die Verjährung mahnt und zwingt alle Gefchäftsleute, recht. 
zeitig und regelmäßig die Rechnungen auszufenden. Die Verjährung ermög> 
liht allen Haushaltungsporftänden, die Quittungen aus früheren Sahren zu 
vernichten, ohne bejorgen und befürchten zu müffen, daß ihnen Daraus 
Schaden erwädlt. Die Verjährung trägt dazu bei, das Gefchäftsleben zu 
vereinfachen; fie hilft Treue und Glauben und NRedlichkeit befördern; es foll 
das biblifche Gebot |treng durchgeführt werden: Seid niemand nichts Ichuldig! 
Die Seichäftsleute erfüllen dies durchaus heilfame ®ebot, wenn fie pünftlic) 
die Rechnungen ausfchreiben und begleichen lafjen. So wird aud) viel ver» 
meidbarer Zanf und Gtreit, fo werden auch viel Berlufte verhütet. Die 
Berjährungen find eine große Wohltat, fie befördern die Wohlfahrt der 
Menichen. Gemik fan auch einer einmal Echaden durch fie haben; aber 
ieder fannı fich davor bewahren mern er nicht faumfelig ift. 
Bann tritt Die Verjährung ein? 
Wir miffen Schon, daß nicht alles zu gleicher Zeit verjährt. Die An- 
fprücdhe für Lieferungen der Handwerker, Kaufleute, Gefchäftsleute ufm. für 
den Haushalt verjähren nad) zwei Jahren. Nun märe eö aber eine unge- 
heure Erfehmerung, wenn die Verjährung jedes Mal fich nach dem Tage ber 
Lieferung richtete, da würde ein Poften am 17. Sanuar 1911, der andere 
am 21. Februar ufm. verjähren. Deswegen hat der Gejehgeber die Ber- 
jährungsfriften allgemein geregelt. Die Verjährung beginnt ftet3 mit dem 
1. Sanuar, alfo mit dem neuen Sahr. So verjähren Rechnungen der Hand» 
mwerfer für den Haushalt aus dem Sahre 1908 am 1. Januar 1911. Gie 
müffen alfo zmei volle Kalenderjahre zu Recht beitanden haben; fie haben 
demnach mehr al? zmei Sahre gegolten. Daher prüft jeder Gejchäftsmann 
im Dezember 1910, ob fi roch offene Poften aus dem ‘ahre 1908 vor» 
finden. Sie verfallen und verjähren, wenn er nicht flug im Dezember eine 
Rechnung fehiet und anerkennen läßt. Namentlich faule, fäaumige Schuldner und 
ichlechte Zahler muß er tüchtig und richtig mahnen. &3 genügt nicht, bloß 
eine Rechnung zu foiden; nein, man muß fich vergemiffern, daß fie bieje 
auch erhalten haben und anerkennen. Sind e3 große Roften, jchidt man die 
Rechnung mittel® eines eingefchrieben Briefe oder eines zuderläffigen Boten. 
Sind die Rechnungen nicht für den Haushalt, fondern für den Gewerbe- 
oder Gefchäftsbetrieb beftimmt, dann verjähren fie erft in vier sahren.
	        
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