Fortbildungsfchule und Staatsfunde. 145
Selbjt die Madjaren möchten alle Deutfchen in Ungarn entdeutjchen und
madjarifieren. Bu
Am gefährliditen werden un® die Slawen, meil fie und an Zahl ganz
bedeutend überragen. Das ruffiihe Reich zählt meit über 160 Mi. Ein
twohner und vermehrt fich fehr ftart. ES hat alfo jchon heute meit mehr als
da3 Zmeiundeinhalbfahe unjrer Bevölferung. Da e3 noch ziemlich dünn be-
völfert ift, Fann es feine Bewohnerzahl leicht noch jtarf vergrößern.
Weder die Slamen nod) die Germanen bilden einen einzigen Staat. Syn
Deutfchland Teben etwa 60 Mill. Teutiche, außerhalb des Deutichen Reiches
{eben in Diterreich, Ungarn, der Schweiz, Quremburg, Belgien und Holland
fomie in Außland vielleicht noch 30 Mill. Deutihe. Das ergäbe 90 Mill.
Deutihe. Aber fie ftehen leider nicht gefchloffen gegen die flamifche Über-
madt. Sm Rußland leben die meilten Slamen; aber in Dfterreidy- Ungarn
gibt e3 noch fehr viele Slawen; dazu find Serbien, Rumänien, Bulgarien
und Montonegro flamijche Staaten. Ein Teil diefer hält treu zu ARupßland
und verftärkt fomit Nußlands Madıt.
Fürjt Bismard mußte diefe Gefahren des Deutjchen Reiches und des
deutfchen Volfes genau zu fchäßen. Deswegen hat er das Neid) geeinigt und
feine Wehrmadjt öfter vermehrt. Am 6. Februar 1888 Ichilderte er in feiner
berühmten Neichstagsrede Diefe Gefahr. Er rief Damald den Neichstags-
abgeorbneten zu, als fie über eine neue Heeresporlage berieten: Wir liegen
mitten in Guropa. Wir haben (zu Lande) mindejtens drei Angriffsfronten.
Tranfreih hat nur feine öjtlihe Grenze, mo es angegriffen werden Tann,
Rußland hat nur feine weftliche Grenze, auf der e3 angegriffen werden fann.
Gott hat uns in cine Xage gelebt, in welcher wir Durch unfre Nachbarıı ver-
hindert werden, irgendwie in Trägheit oder VBerfumpfung zu geraten. Er hat
uns die friegerifhite und unruhigjte Nation, die Zsranzofen, ını Weiten an
die Seite gefest, und im Dften hat er in Außland Friegerifche Neigungen
groß werden laffen, die in früheren Jahrhunderten nicht in dem Maße vor=
handen waren. Die Hechte im europäischen Karpfenteiche — die unruhigen
Stanzojen und Ruffen — hindern ung, träge Karpfen zu werden; fie zwingen
uns zu Anjtrengungen und Rüftungen, die wir freiwillig jonft nicht leisten
würden. Gie zwingen uns zu Einigfeit und BZufammenhalten. Wir müffen
und daher fo jtarf machen, daß die Hecdhte (unfre ftändigen Feinde) ung
nat nieht tun fönnen al und ermuntern, eine militärisch ftarfe Nation zu
leiben.
Hierzu find nun feit 1885 die madhjenden Seegefahren hinzuge-
treten. Seitdem haben mir nod) Britannien, die größte Geemadıt der Welt,
al gefährlichen Nachbar erhalten.
Us Kaifer Wilhelm I. 1888 ftarb, da hatte Rußland an feiner gefamten
Weitgrenze 8%, Armeeforps ftehen. Shnen ftanden nur 5°/, deutiche und
öfterreichifch-ungarifche Armeelorp3 gegenüber. Wir fehen daraus, wie nötig
e5 war, daß auch Deutfchland feine Truppenmadjt im Often vermehrte. Beigt
ih Nußland feit einer Reihe von Kahren weniger deutichfeindlich als etiva
1875—189, fo müffen mir Doch bebenfen, daß jederzeit der ruffifche und
allfflamwifhe Deutfchenhaß wieder emporlodern fann. Was Bismard in feiner
Reichstagsrede am 6. Februar 1888 fagte über unfre gefahrvolle Lage mitten
ziwiihen ben friegerifchen Hauptftaaten und Hauptvölfern Europas, das gilt
nocd) heute, und das wird nod) lange, wenn nicht für immer gelten. Wir
müfjen treue militärifhe Wacht halten am Rhein wie an der Weichfel, an
Ratgeber III. Sranle, Staats: ımdb Pürgerfunde. 10