Full text: Ratgeber für deutsche Lehrer und Erzieher

Sortbildungsfchule und Staatsfunde. 151 
Mehrheit gilt. Alle haben fi dem Willen der Mehrheit zu fügen. Ulle 
Staaten wollen fi dem Willen der Mehrheit fügen, denn daS haben bie 
deutfhen Staaten 1871 an Eidesitatt befannt und gelobt. Diejes emig 
gültige Gelöbni3 aller Regierungen verbürgt ung die Einigfeit und die Dauer 
des Reiches. 
3. Was hemmte früher und fördert jeßt die Reid 
einheit? 
Als Heinrich I. vor 1000 Zahren die deutfchen Stämme einigte, da 
taren fie einander fehr ähnlich in ihrem ganzen Wefen. Tennod) gab es aud) 
damals und Später nocd) manderlei Hemmuniffe der Reichseinheit. 
1. 63 fehlte an einer einheitlichen deutfhen Shriftfprade; 
dafür gebraudtte man das Latein, da3 aber nur menige veritanden. 
Die gemeinfame hoddeutfhe Scrift- und Verfehrsiprache fördert 
jet am meijten die Neichgeinheit; denn nunmehr können fich alle in 
gleicher Weife veritehen, ob fie aus dem Norden oder Güden, aus 
dem Dften oder Weiten ftammen und al3 Mundart Plattdeutich oder 
Shmwäbifh, Bayrifch oder Echlefifch gelernt haben. 
2. &3 fehlte ehemals eine gemeinfame deutfhe Staatägefinnung. 
Seder Fürft und jede Stadt forgte für fich allein. Keder Füri* fuchte 
fein Gebiet auf Koften der andern zu vergrößern. Unendlihe Fehden 
hat es deshalb gegeben. Selbit der dreigigjährige Krieg verdankt der 
Gelbitfucht der Fürjten feine Dauer und feine Greuel. Heute Hin- 
gegen find alle verftändigen Deutfchen für das geeinte, madhtoolle 
Deutfche Neich und fingen mit dem Dichter: „Deutfchland, Deutfch- 
land über alles, über alles in der Welt, wenn es ftet3 zu Schuß 
und Trube brüderlich zufammenhält.” 
3. €3 fehlte früher ein tüchtiger Beamtenjtand. Die fähfiichen 
Kaifer mußten deshalb die Kirche benugen, doc) war dies nur ein 
Noibehelf und führte zu vielen GStreitigfeiten. Niemand kann zmeen 
Herren, dem SKaifer und dem Papfte, zugleich dienen. Heute aber 
gibt e3 einen ftaatstreuen, tüchtigen Beamtenftand, der nur dem 
Staate dient und gemifjenhaft für daS &emeinmohl forgt. 
4. Tamal3 mangelten noch gute Berfehrsmege. Gie find uner- 
lählih. Sonft treten die einzelnen Gebiete zu wenig in Berührung 
und entfremden fich deshalb. Seit dem legten Jahrhunderte haben 
mir gute Straßen und vor allem ein weit verzmweigtes Bahnnek. 
segt jtehen Deswegen die Bewohner in Nord und Süd, in Oft und 
Welt in regftem Waren- und Gedanfenaustaufch miteinander. Die 
alten Stammeäfeindfchaften find verfchrwunden oder verfehmwinden mehr 
und mehr. 
5. rüber mangelte e8 an barem Gelde. Jedes Wirtfchaftsgebiet 
erzeugte, was e& braudte und verbraudte, was es erzeugte. Die 
Sadh)- oder Naturahvirtfchaft herrfchte damald. Man mußte alles mit 
Waren, mit Vieh, Eiern, Getreide, Pelzmerf ufm. bezahlen. Co 
zerfiel daS Reich in eine große Menge Kleiner Wirtfchaftsgebiete, die 
gar nicht miteinander in Güteraustaufch ftanden. Al die Handimerfe 
und Städte auffamen, da bildeten fi die Gegenfäge zmwiichen Dorf 
und Stadt, zwifchen Bauern und Bürgern aus. Die Städte fuchten 
das Landvolf auszubeuten. Xe mehr duch den Handel da3 bare 
Geld zunahm, dejto mehr traten die einzelnen Bezirke miteinander
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.