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derungen der Gitte. Der Streit der Moralphilojophen, ob die jittlichen
Normen idealijtifch - unbedingt oder gejchichtlich - gefellfehaftlich abgeleitet
jind, berührt uns nicht. Yede itaats-, gejellihafts- und fulturgemäße Er-
ziehung würdigt die Sittlichfeit und GSittenlehre in ihrer Bedeutung für das
Gemeinfchaftsleben.
Daher hat die Schule bisher im Neligionsunterricht die chriftliche Staat3-
gejinnung, da3 fittliche Staat3bewußtfein am meiften gepflegt. Freilich fann
darın nod) mehr getan werden. Die größte Ausbeute verspricht und gewährt
das erite Hauptijtüd, weswegen die Ausfchließkung de3 Katediz-
musunterridtseinehböhftempfindlihe XKüde im ftaat®-
fundliden Unterridt der Bolf3fhule zgurüdließe.
Dhne alle einzelnen ftaatsfundlichen Belehrungen angeben zu wollen, be-
Ihränfen wir uns auf die wichtigsten Gebote. Dabei faffen wir die Dber-
ftufe ins YMuge, indem wir zwei fatecdhismusunterrichtliche Lehrgänge vor»
ausfegen. Der erite davon foll „Eindertümlicdy”, einfach-hriitlich, der zmeite
jtaat3- und gejellichafts- oder Zulturfundlicdy-gegenmwartsfundlid) gehalten jein.
Bon allen Katechismusbearbeitungen nehmen Batufhfas „Unter-
redungen über da3 1. bi3 3. Hauptjtüd des Yutherifchen fleinen Katechismus”
(Leipzig, Wunderli) den meiften und grundfäßlichen Bezug auf „joztal-
politifchen Lehrftoff”; mit Patufhfa erkläre ich den Katechismus „vorzugs-
reife geeignet”, „jozialpolitifchen”, d. h. ftaats- und gefellichaftsfundlichen
Lehritoff in fi) aufzunehmen und ihn fittlih, hriftlic auffaffen zu laffen.
Smeifelhaft iit zumeilen, an welches Gebot man diejen oder jenen Stoff
anzufchließen hat. Bloße Anleimungen möchte ich vermieden fehen. So gibt Pa-
tufchfa beim erften Gebote die Überficht über unfre gejeglichen Strafarten
und Strafmittel. Diejer Überblid fann viel richtiger an den Beichluß der
Gebote angefügt werden: ®ott drohet zu trafen... Wie droht der Staat
alle Übertretungen zu ftrafen?
Am beiten ift es, wenn man im NRüdblid auf die drei erjten Ge:
bote, die von Gott und Gottesdienft Handeln, die Vergehen
erwähnt, welche fi auf die Religion beziehen ($ 166—168 des NSt®.).
Eine folde Betrachtung ift durchaus nötig, um die Jugend für das Leben
im Staate vorzubereiten.
Die drei erften Gebote behandeln die Pflichten des Menfchen gegen Gott:
Wir follen ihn al8 unjern Höh ften Herrin adıten (1. Gebot), mir follen
feinen Namen adıten, mir follen feinen Tag achten. Nun ift Gott ald Geift
unfihtbar. Wir fönnen ihn uns nur durd) den Glauben vorftellen. “Die
einen glauben dies, die andern das. Bei uns leben Proteftanten, Statho-
Iifen und Sfraeliten neben- und durcheinander Yrüher haben fich die Völker
wegen ihres verjchiedenen Glaubens befriegt. Man dachte, alle Menjhen
müßten dazfelbe glauben. Steger wurden verfolgt und verbrannt, Heren des:
gleichen. Früher glaubte nıan, man dürfe nicht bloß, jondern man müfje
fremden Glauben verfpotten und unterdrüden. Waren Iutherifhe Chrijten
in einer Rirche, fo drangen Fatholifche Reiter ein und zwangen fie, das Ubend-
mahl nach fatholifcher Art zu feiern. War das reht? War diefe gemaltjame
Belehrung recht? Sit das heute noch erlaubt?
Nein, in unferm neuen Deutjchen Reiche it eS ftreng verboten, den
Gottesdienst andrer zu ftören. Bis zu drei Jahren Gefängnis erhält, mer
jemanden durch Tätlichfeit oder Drohung hindert, den Gottesdienft auszu-
üben. Alle Kirchen follen ungehindert Gott verehren fünnen. Mögen nun