Sittenlehre und Staatskunde. 49
2. Rarum [hüßt Gott da3 Leben der Menfhen?
C3 ijt da3 hödjite Gut, das nie wieder erjegt werden fann. Ein Mord oder
Totjchlag bedeutet die Vernichtung einer göftlihen Schöpfung, ift daher ein
Eingriff in Gottes Willen und Werk, ein Ungriff auf feine Hoheit. Darum
ift auch der Gelbitmord verimwerflich.
3. Wen [hädigt der Mörder? Der Mörder jchädigt
a) den Gentordeten, denn er raubt diefem da2 Leben und damit bie
Möglichkeit, jich weiter für die ewige Geligfeit vorzubereiten;
b) die Angehörigen des Crmordeten; ihnen raubt er den Vater und
Ernährer oder die Mutter und Erzieherin oder den Sohn und
fünftigen Troft jeiner Eltem . . . .;
c) die Gemeinde de3 Ermordeten, denn er raubt diefer ein Mitglteb
und einen Steuerzahler;
d) den Staat, denn er taubt diefem gleichfall3 ein Mitglied, einen
Baterlandsverteidiger, einen Arbeiter, einen Gteuerzahler;
e) die Gejellfhaft, denn er erjchüttert die ganze Ordnung und bringt
einen ungeheuren Aufruhr hervor.
4. Warum [hüft der Staat Ddas3Leben der Menjcdhen?
Da3 Leben feiner Bürger ift das höchjte und unerfeglichfte Gut. e mehr
Bewohner der Staat hat, defto mächtiger it er. Der Mörder vermindert
die Macht des Staates und erfchüttert die ganze Rechtsordnung. Dadurd)
jtört er da3 friedlihe Schaffen und Erwerben. Wo Mord und Totfchlag
herrfcht, dort will niemand arbeiten, Dort getraut fi) niemand auf Die
Straße; dort ftodt fofort Handel und Wandel. Kein Menfch geht wehrlos
dorthin, wo Löwen und Tiger haufen. Dort fühlt fi niemand ficher. Sm
GStaate aber muß Sicherheit herrfhen. Sch muß ficher davor fein, daß ji
meine Nebenmenjchen nicht flugs in Naubtiere verwandeln und mie reißende
Tiere nid anfallen, wenn ich etwas ermwerbe. Ahr müßtet ja ftet3 in Angjt
und Bangen leben, wenn feine Sicherheit herrfchte, wenn euch jeden Mugen-
blid ein Menfch umbringen fönnte und dürfte, wenn irgendein Böfericht
euern auf Arbeit gehenden Vater erichlagen dürfte. Ginge jemand aus dem
Haufe, müßte man nicht, ob man ihn lebend mwiederfäle. So mürde das
Ba zur Qual und Hölle. Der Mord iit das fchlimmfte Übel und Ver-
rechen.
9. Vie war es in der Urzeit? Nnfangs lebten bie
Menfhen fait fo wild wie die Tiere. Kain erfchlug feinen Bruder. Der
Mord und Totfchlag galt gar nit al3 ein Verbrehen. Man glaubte viel-
mehr, e3 wäre eine Heldentat, ein Ruhm, wern man recht viel Menfchen
erihlagen habe. Man hob fogar die Schädel der erfcjlagenen Menfchen auf
und prahlte damit, und ihr wißt, daß man fi nicht einmal fcheute und
|hümte, Menjchen zu frejien. So lebten damals die Menichen fait genau fo
mild und zuchtlos wie die Raubtiere. Bas war allerdings eine fchredfiche Beit.
6. Wiehatmandieje [hredlihe Zeit überwunden?
©ott hat felbjt in die Herzen der Tiere Liebe zu ihren Jungen gepflanzt.
Co hatten auch die Urmenfchen Liebe zu ihren Kindern. Shre Kinder wollten
die Eltern nicht verlieren. Daher fagten die Eltern zu jedem Finde: Du
barfit deine Gefhmiiter nicht töten! Denn wir wollen unfre Kinder
nicht einbüßen. Der Dann liebte feine Frau und die Frau ihren Mann.
Daher gebot der Vater: Niemand darf meine Frau, eure Mutter umbringen;
denn ich leide das nicht. Wer fi) aber dennody an meine Frau und eure
Ratgeber III. FZranle, Staate: und Bitrgertunde. 4