Bayern. 101
Titel VII.
Von dem Wirkungskreise der Stände-Versammlung 1).
8 1. Die beyden Kammern können nur über jene Gegenstände
in Berathung treten, die in ihren Wirkungskreis gehören, welcher in
den §# 2 bis 19 näher bezeichnet ist.
§J 22). Ohne den Beyrath und die Zustimmung der Stände des.
Königreichs kann kein allgemeines neues Gesetz, welches die Freyheit
der Personen oder das Eigenthum der Staats-Angehörigen betrifft, er-
lassen noch ein schon bestehendes abgeändert, authentisch erläutert oder
aufgehoben werden.
5 3. Der König erholt die Zustimmung der Stände zur Erhebung
aller directen Steuern, so wie zur Erhebung neuer indirecten Auflagen,
oder zu der Erhöhung oder Veränderung der bestehenden.
§ 4 ³). Den Ständen wird daher nach ihrer Eröffnung die genaue
Uebersicht des Staatsbedürfnisses, so wie der gesammten Staats-Ein-
nahmen (Budget) vorgelegt werden, welche dieselbe prüfen, und sodann
über die zu erhebenden Steuern in Berathung treten.
§ 5 ). Um jedoch jede Stockung in der Staatshaushaltung zu ver-
meiden, werden in dem Etats-Jahre, in welchem die erste Stände-
Versammlung einberufen wird, die in dem#vorigen Etats-Jahre erhobenen
Staats-Auflagen fortentrichtet. «
§ 6) aufgehoben und ersetzt:
Art. 1. Die zur Deckung der ordentlichen beständigen und bestimmt
vorherzusehenden Staatsausgaben, mit Einschluß des nothwendigen
Reservefonds, erforderlichen directen Steuern werden jedesmal auf
zwei Jahre bewilligt.
Art. 2. Spätestens drei Monate vor dem Ablaufe des Termins,
für welchen die fixen Ausgaben festgesetzt sind, läßt der König für die
zwei Jahre, welche diesem Termine folgen, den Kammern ein neues
Budget vorlegen.
8 7. In dem Falle, wo der König durch ausserordentliche äußere
Verhältniße verhindert ist, in diesem letzten Jahre der ordentlichen Steuer-
Bewilligung die Stände zu versammeln, kömmt Ihm die Befugniß
einer Forterhebung der letztbewilligten Steuer auf ein halbes Jahr zu.
5 8. In Fällen eines außerordentlichen und unvorhergesehenen
Bedürfnisses und der Unzulänglichkeit der bestehenden Staats-Einkünfte
zu dessen Deckung, wird dieses den Ständen zur Bewilligung der er-
forderlichen außerordentlichen Auflagen vorgelegt werden.
1) Vgl. zu diesem Titel das Schlußprotokoll zu dem Vertrage vom 23. November
1870, betr. den Beitritt Bayerns zur Verfassung des Deutschen Bundes. Ferner das sog.
Verfassungsverständnis vom Jahre 1843 und das Initiativgesetz vom 4. Juni 1848
(sämtlich hier bgedruchh
„) Zu Tit. VII § 2 erfolgte eine Anderung in der Form der Beratung neuer Gesetz-
bücher durch das Gesetz vom 12. Mai 1848, auf das sich auch die Gesetze vom 28. April 1872,
18. Oktober 1871 und 15. Juli 1878 beziehen.
2) Tit. VII & 4 abgeändert durch Gesetz vom 4. Juli 1904.
) Tit. VII § 5 Abs. 1 und § 6 aufgehoben und durch das Gesetz vom 10. Juli 1865
ersetzt, das hinter § 6 folgt.