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Anrege ist jedoch nur dann Folge zu geben, wenn sie dem Vorsitzenden
schriftlich zugestellt ist und nach gestellter Vorfrage von mindestens zehn
Mitgliedern der Versammlung unterstützt wird. In diesem Falle steht
dem Antragsteller die nähere Begründung seines Antrags zu, worauf über
die Frage, ob der Gegenstand zur näheren Erwägung an den Bürger-
ausschuß zu verweisen sei oder nicht, eine Beratung und Abstimmung
stattfindet. Entscheidet die Versammlung sich für das Letztere, so ist
damit der Antrag verworfen; entscheidet sie sich dagegen für das Erstere,
der Bürgerausschuß erachtet aber demnächst den Antrag nicht für ge-
eignet, überhaupt oder in unveränderter Form an den Senat gebracht
zu werden, oder der Senat lehnt den ihm vom Bürgerausschuß emp-
fohlenen Antrag ab, so hat der Wortführer der Bürgerschaft dieser selbst
in ihrer nächsten Versammlung die Frage zur Entscheidung vorzulegen,
ob der Antrag seitens der Bürgerschaft an den Senat gelangen solle
oder nicht.
Art. 45. Die Bürgerschaft ist berechtigt, vom Senate Auskunft
über Staatsangelegenheiten zu begehren. Die entsprechende Ver-
pflichtung des Senates erleidet jedoch eine Ausnahme in betreff ob-
schwebender Verhandlungen in Reichs= und auswärtigen Angelegenheiten.
Die Gegenstände, über welche Auskunft verlangt wird, sind dem Senate
schriftlich mitzuteilen, dem es überlassen bleibt, die verlangte Auskunft
schriftlich oder durch Kommissare mündlich zu erteilen.
Art. 46. Auf alle Anträge des Senates muß in derselben Ver-
sammlung, in welcher sie gestellt sind, ein Beschluß gefaßt werden.
Es steht jedoch der Bürgerschaft frei, einen Antrag des Senates
zunächst einer aus ihrer Mitte zu ernennenden Kommission zur Be-
gutachtung zu überweisen und bis zur Erstattung des Gutachtens ihre
Entscheidung auszusetzen. Wenn eine solche Kommission über irgend
einen Punkt noch eine Aufklärung für erforderlich erachtet, so kann sie
dieserhalb eine Besprechung mit den Kommissaren des Senates begehren.
Die Kommissare des Senates sind befugt, Mitteilung des Gutachtens der
Kommission zu verlangen, bevor über die Sache weiter verhandelt wird.
Ubrigens haben die Verhandlungen über Anträge des Senates
vor allen anderen den Vorzug und dürfen nicht ohne Zustimmung der
Kommissare des Senates durch anderweitige Geschäfte unterbrochen
werden.
Art. 47. Das über die Beschlüsse der Bürgerschaft auf Anträge
des Senates aufzunehmende Protokoll ist in einer von dem Vorsitzenden
und dem Protokollführer unterzeichneten Ausfertigung fördersamst den
Kommissaren des Senates zuzustellen, um es dem letzteren vorzulegen.
Art. 48. Der Geschäftsgang bei den Beratungen der Bürger-
schaft wird, soweit er nicht im vorstehenden festgestellt worden, durch eine
von der Bürgerschaft zu beschließende Geschäftsordnung geregelt.
Art. 49. Eine Ausfertigung des in den Versammlungen der Bürger-
schaft geführten Protokolles ist binnen drei Tagen nach jeder Versammlung
eim im Senate den Vorsitz führenden Bürgermeister zuzustellen, auch ist
das Protokoll, soweit nicht Geheimhaltung beschlossen ist, durch den Druck
zu veröffentlichen.
Stoerk- v. Rauchhaupt, Handb. d. deutschen Verfassungen. 15