Reuß ä. L. 287
In der Ueberzeugung, daß die zeitherige Landesverfassung den vor-
geschrittenen Anforderungen an die Staatsverwaltung nicht mehr ge-
nüge, und von dem aufrichtigen Wunsche erfüllt, die vielfach kund ge-
gebene Erwartung nach einer zeitgemäßen Umgestaltung derselben in
einer für das Wohl des Landes wahrhaft förderlichen Weise zu befriedigen,
ertheilen und verkünden Wir mit hierzu erklärter Zustimmung der Stände
des Fürstenthums nachstehende
Verfassung des Fürstenthums Reuß älterer Linie.
I. Abschnitt.
Von dem Fürstenthum und seiner Regierung im Allgemeinen.
5 1. Das Fürstenthum Reuß älterer Linie bildet einen unter einer
Verfassung vereinigten untheilbaren Staat des norddeutschen Bundes.
#§+ 2. Kein Bestandtheil des Fürstenthums und kein Regierungs-
recht seines Fürsten kann ohne Zustimmung der Landesvertretung auf
irgend eine Weise veräußert werden. Grenzberichtigungen mit benach-
barten Staaten sind hierunter nicht begriffen, wenn nicht dabei Staats-
angehörige abgetreten werden.
#i 3. Der Fürst ist erblicher Landesherr; seine Person ist unverletzlich.
Die Staatserbfolge -ichtet sich, den Reußischen Haus= und Familien-
verträgen gemäß, nach den Grundsätzen der Erstgeburt und der agnatischen
Linealfolge im Mannesstamme. Er übt die Staatsgewalt auf verfassungs-
mäßige Weise, die gesetzgebende im Verein mit der Landesvertretung,
die vollziehende allein. Er besetzt die Staatsämter und vertritt das Land
nach Außen.
r # 4. Der Landesherr nimmt seinen wesentlichen Aufenthalt im
ande.
5 5. Die Regierungshandlungen des Vorfahren sind von dem Re-
gierungsnachfolger anzuerkennen und zu vertreten, sofern sie ohne Ueber-
schreitung der verfassungsmäßigen und gesetzlichen Befugniß vorgenommen
worden sind.
#6# 6. Der Fürst und die Prinzen des Fürstlichen Hauses werden
mit dem zurückgelegten 21 sten Lebensjahre volljährig und regierungs-
fähig. Der Landesfürst kann nach vollendetem 18 ten Lebensjahre von
der ihm geordneten Vormundschaft, unter Zustimmung des regierenden
Fürsten des Hauses Reuß jüngerer Linie für volljährig und regierungs-
fähig erklärt werden. ·
In gleichem Alter kann den Prinzen des Hauses vom regierenden
Fürsten die Großjährigkeit ertheilt werden.
7. Für die Dauer der Minderjährigkeit des Fürsten tritt eine
Regentschaft ein. Ist darüber nicht von dem Regierungsvorfahren im
Einvernehmen mit der Landesvertretung Verfügung getroffen worden,
so gebührt die Regentschaft zunächst der leiblichen Mutter des Landes-
fürsten und, wenn diese sich nicht mehr am Leben befindet oder ander-
weit vermählt oder sonst verhindert ist, dem nächsten volljährigen und
zur Regierung fähigen Agnaten des Fürstlichen Gesammthauses.