Reuß ä. L. 297
60. Staats= und Hofbeamte, Militärpersonen, Geistliche und
Lehrer bedürfen zur Annahme der Stelle eines Abgeordneten oder
Stellvertreters den Urlaub ihrer vorgesetzten Behörde und haben die
etwa nöthigen Kosten ihrer amtlichen Stellvertretung selbst zu tragen.
Der Urlaub soll nie ohne erheblichen, durch dienstliche Rücksichten
gebotenen Grund versagt, kann aber nach Befinden bei dessen Ertheilung
auf bestimmten Zeitraum beschränkt werden.
#§*# 61. Ueber das Vorhandensein der gesetzlichen Erfordernisse zum
Eintritt des Gewählten entscheidet endgültig der Landtag.
Das Nähere über die Art der Wahl bestimmt das Wahlgesetz.
5*s 62. Der Landesvertretung stehen im Allgemeinen folgende
Rechte zu:
die Mitwirkung bei der Gesetzgebung und Ordnung des Staats-
haushaltes,
das Zustimmungsrecht bei der Besteuerung und bei der Erhöhung
der Staatsschuld,
das Recht des Gesetzesvorschlags, der Beschwerde und Anklage
gegen Staatsdiener (§ 89).
Die Grenzen für die Ausübung dieser Rechte sind in dieser Ver-
fassungsurkunde bestimmt.
8 63. Die Abgeordneten sind nicht die Vertreter des Wahlbezirks
bezüglich der Wahlgenossenschaft, welcher ihre Wähler angehören; sie
haben sich vielmehr bei ihrer ständischen Wirksamkeit lediglich von der
Rücksicht auf das Gemeinwohl sämmtlicher Landesangehörigen leiten zu
lassen. Sie dürfen keine Instruktionen von ihren Wählern oder Wahl-
bezirken annehmen und Niemanden beauftragen, in ihrem Namen zu
stimmen.
Wünsche und Beschwerden ihrer Wähler, der Angehörigen des be-
treffenden Wahlbezirks oder Einzelner aus letzterem dürfen sie nur dann
zur Verhandlung beim Landtage bringen, wenn sie deren Befürwortung
übernehmen können und wollen.
§ 64. Bei dem ersten Eintritt in den Landtag hat jedes Mitglied
folgenden Eid zu leisten:
Ich schwöre, die Landesverfassung treu zu beobachten, und als
Mitglied der Landesvertretung das unzertrennliche Wohl des Fürsten
und des Vaterlandes bei Anträgen und Abstimmungen nach bestem
Wissen und Gewissen allenthalben zu wahren. So wahr mir Gott
helfe und sein heiliges Wort, Jesus Christus, Amen!
Dieser Eid wird in der Versammlung der Abgeordneten an den
Vorstand der Landesregierung oder dessen Stellvertreter geleistet. Ein
schon vereideter Abgeordneter hat bei anderweiter Wahl als solcher auf
die Pflicht bloß mittelst Handschlags unter Verweisung auf den bereits
früher geleisteten Eid anzugeloben.
5 65. Die Meinungsäußerung auf dem Landtage ist frei. Kein
Abgeordneter darf wegen seiner Abstimmung oder Aeußerung auf dem
Landtage gerichtlich oder disziplinarisch verfolgt oder sonst außerhalb des
Landtags zur Verantwortung gezogen werden, wenn nicht der vor-