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als Wohltat für die Kirche denn als Übergriff der
Kaisergewalt zu betrachten.
Auch Otto III. (883/1002) hat nicht nur
gegenüber den unter Führung des Crescentius
aufständischen Römern mit blutiger Strenge ge-
waltet, sondern auch erst seinen Vetter Bruno
als Papst Gregor V. (996/999), dann seinen
Lehrer, den berühmten Gerbert, als Papst Sil-
vester II. (999/1003) auf den Stuhl Petri er-
hoben. Das Haupt der stadtrömischen Verwaltung
bildete damals der vom Kaiser eingesetzte Patri-
cius, während das römische Gerichtswesen, der
Stadtpräfekt, der Pfalzgraf des Laterans und die
sieben Pfalzbeamten in einem gewissen Doppel-
verhältnis zu Papst und Kaiser standen. Die
undatierte Schenkungsurkunde Ottos III., wahr-
scheinlich vom Jahre 1001 (Mon. Germ. Dipl.
II 819), durch welche acht seit längerer Zeit zwi-
schen der Kirche und dem Reiche streitige Graf-
schaften in der Romagna und der Mark Ancona
„einzig und allein aus freiem Antrieb“ dem Papste
als neue Donation überwiesen wurden, ist zu Un-
recht angegriffen worden. Eine fernere Schenkung
Kaiser Heinrichs II. vom Jahre 1014 wiederholt
das Besitzverzeichnis des Privilegiums Ottos I.
vom Jahre 962. Heinrich III. der Salier trat
im Jahre 1052 dem auf seine Veranlassung er-
hobenen deutschen Papste Leo IX. (1049/54) seine
Hoheitsrechte über das Herzogtum Benevent ab,
nachdem die von den Normannen bedrängte Be-
völkerung schon im Jahre vorher Schutz suchend
sich dem Heiligen Stuhle unterworfen hatte. Es
gelang jedoch erst im Jahre 1077 Gregor VII.,
sich in den Vollbesitz des Herzogtums zu setzen.
Dina, L'ultimo periodo del ducato lango-
bardo in Benevento (Benevent 1899). Zu-
sammenfassende Darstellung: L. Duchesne, Les
premiers temps de I’Etat Pontifical (754 bis
1073) (21902).
Inzwischen hatte im Jahre 1059 Papst Niko-
laus II. (1058/61) sein berühmtes Papstwahl-
dekret erlassen, welches das Recht der Wahl auf
das Kardinalskollegium (s. d. Art. Kardinäle) be-
schränkte und das Bestätigungsrecht des Kaisers
prinzipiell beseitigte, es dem damaligen König
Heinrich IV. (1056/1106) nur noch persönlich
zugestand. Ein fernerer wichtiger Akt, gegen die
bisherige Abhängigkeit des Papsttums vom Kaiser,
wie nicht minder gegen die römische Adelsherr-
schaft gerichtet, war die in demselben Jahre 1059
erfolgte Unterwerfung der Normannenfürsten
Robert Guiscard und Richard von Aversa zur
Vasallenschaft der römischen Kirche. Als Herzog
von Apulien und Kalabrien „.und künftig von
Sizilien“, welch letzteres erst den Arabern ab-
gerungen werden mußte, leistete jener, als Fürst von
Capua dieser den Lehnseid, und sie versprachen
dem römischen Papsttum, Lande und Prinzipat
Schutz, Lehnszins und Sicherheit der Papstwahl.
Wahrscheinlich 1079 oder 1080 erhielt Gre-
gor VII. (1073/85) von der Markgräfin Ma-
Kirchenstaat.
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thilde von Tuscien, der mächtigen Partei-
gängerin des Papstes im Investiturstreite, eine
Schenkung ihres gesamten Allodialbesitzes. Unter
Paschalis II. (1102) wurde diese Schenkung
wiederholt (wir besitzen darüber ein Marmor=
fragment im Vatikan). Dieselbe begründete in-
des, insofern Mathilde beidemal das volle Ver-
fügungsrecht über ihre Güter zurückerhielt, nur
ein (grundherrliches?) Obereigentum der römischen
Kirche. Wahrscheinlich auf Grund eines Abkom-
mens mit der Markgräfin vom Jahre 1111 nahm
Kaiser Heinrich V. (1106/25) nach dem Tode
derselben 1115, ohne Widerspruch seitens des
Papstes, die ganze Hinterlassenschaft jener für sich
in Besitz; die Verwaltung des Mathildeschen Gutes
blieb fortan mit dem Amt des Markgrafen von
Tuscien verbunden. Erst Innozenz II. (1130/43)
erlangte von König Lothar, dem Nachfolger
Heinrichs V. (1125/37), die Anerkennung des
kirchlichen Obereigentums an den Mathildeschen
Lausgütern von denen er vor Erscheinen des
önigs in Italien (1132) förmlich Besitz ergriffen
hatte. Nach der Kaiserkrönung (1133) empfing
Lothar vom Papste die Investitur darüber gegen
einen alljährlichen Zins von 100 Pfund Silber,
mit der Bestimmung zugleich, daß nach des Kai-
sers Tod die Mathildeschen Allodien (besonders am
Po, in der Emilia, im Apennin und in der
Garfagnana) in das volle Eigentum der römi-
schen Kirche zurückkehren sollten. Unter denselben
Bedingungen gestand Innozenz, wahrscheinlich
1137, auch dem Schwiegersohn Lothars, dem
Welfen Heinrich dem Stolzen von Bayern, das
Land der Mathilde zu, jedoch hatte der Herzog
dem Papst Mannschaft und Treue zu schwören.
Herzog Welf VI. ließ sich im Jahre 1160 von
den tuscischen Städten und Vasallen huldigen.
Kaiser Friedrich I. Barbarossa (1152/90) hatte
ihm auch die Einkünfte der Mathildeschen Güter
ausgeliefert. Im übrigen aber nahm der Kaiser,
der vom Papst Hadrian IV. gegen die unter
Arnold von Brescia aufständischen, die antike
Republik anstrebenden Römer zu Hilfe gerufen
war, in Rom wie überhaupt in den päpstlichen
Ländern und Italien die kaiserlichen Rechte im
vollen, ja gemäß den ronkalischen Beschlüssen
(1158) erweiterten Umfange in Anspruch, erhob
Reichssteuern, setzte Podestäs oder Rektoren (mit
einer Art diktatorischer Gewalt) ein usw.
Durch dieses Auftreten Friedrichs I., ferner
durch den Anspruch, die streitige Papstwahl des
Jahres 1159 zu entscheiden, durch sein Eintreten
für Viktor IV. und nachher Paschalis III. gegen
den rechtmäßigen Papst Alexander III. (1159/81)
hat Friedrich I. die in der Folge dauernde Zer-
klüftung Italiens zwischen Ghibellinen und Wel-
fen, zunächst den nicht nur für den Kaiser
selbst, sondern auch für sein Haus, für Deutsch-
land und Italien verhängnisvollen Bund des
Papsttums mit den lombardischen Städterepubliken
bewirkt. Die Schlacht bei Legnano (1176) ent-